Die Tabakpfeifendrechsler von Bad König


(von Manfred Kassimir)
Das Wort „Pfeife“ stammt aus dem lateinischen Sprachschatz „Pipa“ und bedeutet nichts anderes als Rohr“ oder „Halm“.
Die Tabakpfeife ist ein Rauchutensil in dessen gebohrten Kolben Tabak verglimmt. Zwischen dem Pfeifenkopf und dem Mundstück ist ein Filter eingebaut. Durch diesen Filter wird der Rauch geführt und gelangt so über das Mundstück in die Mundhöhle des Rauchers, der den Rauch nach der Genussaufnahme wieder ausbläst. Eine Eigenschaft der Pfeife – je länger das Mundstück ist, umso kühler und angenehmer ist der Rauchgenuss für die Mundhöhle.

Die Tabakpfeife in ihrer ursprünglichen Form wurde aus Amerika eingeführt, ähnlich der Tabakpflanze. Die Ureinwohner des amerikanischen Kontinents, die Indianer, benutzten die Tabakpfeife als Symbol der Streitschlichtung und als Vertragsbesiegelung. Aus diesem Grund wurde die Tabakpfeife landläufig auch als Friedenspfeife bezeichnet.
Die Friedenspfeifen der Indianer bestanden in der Regel aus Holz oder aus Ton.
Das Tabakpfeifenrauchen erreichte über England und Holland den alten Kontinent Europa. Eine Hochburg der Tonpfeifenherstellung war die holländische Stadt Gouda. Nachdem die Tabakpfeife Europa erreicht hatte, entwickelte sich aus der Urform der Tabakpfeife schnell eine Vielzahl an abgeänderten Formen und verschiedene Materialen kamen zum Einsatz. Solche Experimente ließen Pfeifen aus Holz, Ton, Metall, Porzellan und Meerschaum, aber auch im geringen Maße aus Glas und Maiskolben entstehen. Überwog am Anfang noch die Tonpfeife, wurde diese aber nach und nach durch die Holzpfeife aus Bruyere-Holz ersetzt.

Materialien für die Pfeifenherstellung
Das Material für die Pfeifenherstellung hat einen großen Einfluss auf den Tabakgenuss. Die Gebräuchlichsten seien hier aufgeführt:

Bruyere-Holz
Das Bruyere-Holz wird aus der Wurzel der „Erika Arborea“ (Baumheide) gewonnen und wächst zum überwiegenden Teil im Bereich der Mittelmeerländer Süd-Italien, Griechenland, Süd-Frankreich, Korsika, Spanien und Nordafrika.
Das Bruyere-Holz ist aufgrund seines Kieselsäuregehaltes sehr hitzebeständig und daher für die Herstellung von Tabakpfeifen gut geeignet. (17 % Kieselsäure, 33 % Kalk, 11 % Kali und 6 % Magnesium).

Ton-Pfeifen
Der verwendete Ton wird in Metallformen gepresst, getrocknet und gebrannt. Die sogenannte „Kaffeehauspfeife“ aus Ton war ein beliebtes Rauchutensil in den Wiener Kaffeehäusern oder wurde auch sonst gerne Gästen zum Rauchen angeboten. Die Tonpfeife ist sehr empfindlich und wird meist nach einmaligem Gebrauch entsorgt.
Porzellan-Tabakpfeifen
Aus Porzellan werden zumeist Gestecktabakpfeifen hergestellt. Der Pfeifenkopf aus Porzellan wird aufwändig mit Handmalereien, die meist mit dem Beruf des Pfeifenrauchers zusammenhängen, verziert. An der Unterseite des Porzellankopfes befindet sich der sogenannte „Saftsack“, der die Aufgabe hat, den beim Abbrennen des Tabaks entstandenen Sud aufzunehmen und ihn nicht in das Mundstück gelangen zu lassen. So werden z. B. Jägerpfeifen, Studentenpfeifen und Reservistenpfeifen herstellt. Auch andere Motive sind denkbar. Die Verbreitung der Porzellangesteckpfeife erreichte Kultstatus. Viele alte Exemplare sind heute noch erhalten. Neuerdings werden diese Gesteckpfeifen auch als Dekoration wieder neu entdeckt.
Meerschaumpfeife
Der Name Meerschaum ist eigentlich irreführend.
Das Material Meerschaum, fachlich „Sepiolith“ genannt, ist ein weißes, leichtes Mineral (leichter wie Wasser) und wird in Anatolien und Tansania im Tiefbau gewonnen. Meerschaumpfeifen stammen überwiegend aus der Türkei. Beim Gebrauch einer Meerschaumpfeife verfärbt sich das weiße Material dunkel.
Shisha-Pfeifen (Wasserpfeifen)
Die Shisha-Pfeifen haben ihren Ursprung in den orientalischen Ländern. Der Rauch wird über einen Rauchkopf, der trichterförmig in einem Behälter mit Wasser mündet, eingesogen. Durch das im Behälter befindliche Wasser wird der Rauch gefiltert und gekühlt. Über ein Mundstück, das mittels Schlauch mit dem Wasserbehälter verbunden ist, gelangt der Rauch in die Mundhöhle des Rauchers.
Imkerpfeife
Eine Besonderheit der Pfeifen ist die Imkerpfeife. Die Imkerpfeife ist ein sogenannter „Rauchbläser“, d. h., das Pfeifenkopfventil lässt lediglich ein Pusten und kein Ziehen an der Pfeife zu, um den gewünschten Rauch zu entwickeln.

Pfeifentabak
Der Genusstabak wird aus speziellen Tabakpflanzen gewonnen, die im Zuge der Verarbeitung zusätzlich aromatisiert werden.
Wurde der Tabak zunächst in langen Endlossträngen an den Kunden verkauft, der sie dann nach Belieben zurechtschneiden und portionieren konnte, geht man in der heutigen Zeit dazu über, den Tabak zu schneiden und vakuumverpackt an den Kunden weiterzugeben.
Die Tabakpfeifendrechsler aus Bad König
Der Drechslerberuf ist neben dem Beruf des Töpfers mit das älteste Handwerk der Menschheit. Durch Drehbewegungen werden aus Holz Dinge des täglichen Gebrauches gefertigt.
Waren zunächst handgetriebene Arbeitsgeräte, wie der Fiedelbogen, in Gebrauch, so entwickelte sich der technische Fortschritt über die Wippdrehbank – Fußantrieb, wobei die Hände für das Arbeiten frei blieben, über den Transmissionsantrieb bis hin zum Elektroantrieb.
Ein Drechslerspruch lautet:
"Geselle ist, wer etwas kann,
Meister ist, wer etwas ersann
Lehrling sein ein jedermann."
oder "Der Samer, der gejht schleife
oam Leiremon soim Roah
er raacht debei die Peife
soi Gretche dreht de Stoa!"
Auch der bekannte Dichter Wilhelm Busch hat der Tabakpfeife einen Reim gewidmet, der lautet:
„Und geschwinde, stopf, stopf, stopf, Pulver in den Pfeifenkopf“
Der Drechsler hatte eine große Auswahl verschiedener Arbeitsgeräte. Die wichtigsten Werkzeuge, der Meißel und die Röhre, sind im Zunftwappen der Drechsler abgebildet.
Um 1850 entstand in der Odenwälder Stadt Bad König der Beruf der Tabakpfeifendrechsler. Die Zünfte der Horn- und Holzdrechsler waren bereits vorhanden. Speziell die Horndrechsler hatten sich, außer im Schmuckbereich und Dingen des täglichen Gebrauches, auf die Herstellung von Mundstücken für die Tabakpfeifen spezialisiert. Um sich bessere Einnahmequellen zu verschaffen, gingen die Drechsler dazu über, die Tabakpfeifen im Ganzen selbst herzustellen. Zunächst wurden Pfeifen in kleineren Stückzahlen hergestellt, zumeist die sogenannten „Gesteckpfeifen“, die nach der Herstellung mittels Schubkarren zu Fuß in die näher gelegenen größeren Städten, wie z. B. Mainz, Mannheim, Darmstadt und Frankfurt transportiert und dort auf den Märkten an den Kunden gebracht wurden.
Wurde im Jahr 1850 die Tabakpfeife in geringem Umfang herstellt, gründete Adam Schum I im Jahr 1876 die erste große Pfeifenfabrik in Bad König.
Neben den Gesteckpfeifen waren immer mehr handliche Holzpfeifen gefragt.
Die Drechselbänke wurden anfangs noch mit Fußantrieb in Bewegung gebracht. Um die Jahrhundertwende fand auch die technische Revolution in Form einer neuen Antriebsart Einzug in die Pfeifenfabrik Schum. Sauggasmaschinen, die mittels Transmissionsriemen mit den Drechselbänken verbunden waren, sorgten ab jetzt für die richtigen Drehmomente der Drehbänke. Später wurden diese Maschinen durch den Elektroantrieb ersetzt.

So verlegten sich die Bad Königer Drechsler auf die Herstellung von Porzellan-Gesteckpfeifen, die aus Porzellanköpfen, dem Holzholm, oder aus Horn oder Hirschgeweih bestand und das Mundstück aus Horn gefertigt wurde. Zusätzliche Verdienstmöglichkeiten erbrachte auch die Herstellung von Holzpfeifen.
So fanden anfangs noch einheimische Hölzer, wie Buche, Ahorn, Nussbaum und Kirsche für die Tabakpfeifenherstellung Verwendung. Im Odenwald wurden die kleineren Pfeifen „Klejbsche“ und die größeren „Klouwwe“ genannt. Nach und nach setzte sich aber bei dem Material das im Mittelmeerraum beheimate Bruyere-Holz durch. Aus Bruyere-Holz wurden die so genannten „Shag-Pfeifen“ hergestellt, wobei das Wort „Shag“ die Bedeutung von feingeschnittenem aromatisiertem Tabak hat. Dieser Tabak wurde aus relativ niedrigen und runden Pfeifenköpfen geraucht. Aus der Grundform der „Shagpfeife“ entwickelten sich im Laufe der Zeit vielfältige Pfeifenformen.

Die Gewinnung des Bruyere-Holzes
Dicht unter der Erdoberfläche bilden sich knollenartige Verdickungen der Baumheide, die das Material für die Pfeifenkopfherstellung liefern.
Diese knollenartigen Verdickungen werden im Winter ausgegraben und in Erdgräbern gelagert, in denen sie gewässert werden. Diese „Ernte“ der Wurzeln wird „Campagne“ genannt.
Die geernteten Wurzeln werden in 4 verschiedene Kategorien, die über die Qualität der späteren Pfeife mitentscheidend sind, eingeteilt:
1.:   Die Randstücke der Wurzel (Plateau Ebauchons) ist das beste Holz für die Herstellung wertvoller Tabakpfeifen. Hier werden die schönsten Maserungen heraus gearbeitet.
2.:   Das Mittelteil der Wurzel findet für die Herstellung normaler Pfeifen Verwendung.
3.:   Das Stammholz ist für die Pfeifenherstellung nicht geeignet.
4.:   Der untere Knollenbereich ist wegen starker Rissbildung und Einlagerungen nur bedingt geeignet.

Die Verarbeitung des Bruyere-Holzes
Durch erfahrene „Coupeures“ werden die Knollen in kleine Würfel, den sogenannten „Kandeln“ geschnitten. Die „Kandeln“ werden auf international festgelegte Größen, den sogenannten „Ebauchons“ zurecht geschnitten. Die „Ebauchons werden nach Qualität sortiert, in Ballen verpackt und kommen so zum Versand.
In diesem Zustand erreichten die Bruyere-Holzklötze auch die Pfeifendrechsler von Bad König.
Zur weiteren Verarbeitung werden diese „Ebauchons“ zunächst in großen Bottichen 15-20 Stunden lang gekocht. Durch das Kochen wird Gerbsäure frei gesetzt, die sich an der Oberfläche der Klötze festsetzt und für die rötliche Farbe der Ebauchons verantwortlich ist.
Nach dem Kochvorgang werden die „Ebauchons“ in dünnen Schichten einem speziellen Trocknungsverfahren unterzogen um ein zu schnelles Austrocknen und Aufreißen der Klötze zu verhindern.
Die tatsächliche Maserung ist in diesem Zustand des Rohlings noch nicht erkennbar.

Ist der „Ebauchon“ getrocknet, beginnt die eigentliche Arbeit des Tabakpfeifendrechslers.
Zunächst beurteilt der Drechsler anhand des vorliegenden „Ebauchon“ die Form, die die Tabakpfeife annehmen soll. Mittels einer Säge wird der Rohling grob zugeschnitten. Als nächster Arbeitsgang wird das Kopfloch gefräst. In der weiteren Folge entsteht das Zapfbohrloch für die spätere Aufnahme des Mundstückes. Durch das Zapfbohrloch wird der Luftkanal zum Kopfloch gebohrt. Über diesen Luftkanal gelangt später der Rauch in das Mundstück und von dort in die Mundhöhle.
Mit weiteren Raspel- und Schleifvorgängen wird das Mundstück mit dem Tabakpfeifenkopf in eine harmonische Form gebracht. Besonders ausgefallene Pfeifen erhalten auf Wunsch der Kunden auch Gravierungen oder Intarsienarbeiten.
Zum Abschluss der Herstellungsarbeiten werden die Tabakpfeifen in unterschiedlichen Farben gebeizt, poliert oder die Oberfläche erhält durch Sandstrahlung eine strukturierte Oberfläche. Durch den Einsatz einer Schwabbelscheibe erhält die Tabakpfeife ihren letzten Schliff.
Bis eine Tabakpfeife seinen Kunden erreicht, sind für eine Pfeife aus Bruyere-Holz 30-40 Arbeitsgänge notwendig, je nach Anforderung des Kunden und der Qualität. Das Aufzählen und Beschreiben jedes einzelnen Arbeitsganges würde aber den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen.
Die Qualität der Tabakpfeife
Die Qualitätsmerkmale einer Tabakpfeife sind mit internationalem Standard festgelegt:

A, B, C – besteht aus vollkommen fehlerfreiem Holz
XA   - Mixte anglaise = die Pfeifenköpfe dürfen bis zu 3 Fehlerstellen, die eine Größe eines Stecknadelkopfes nicht überschreiten, enthalten.
XF   - Mixte francaise = diese Pfeifenköpfe dürfen ebenfalls 3 Fehlerquellen enthalten, die aber größer als ein Stecknadelkopf sind.
Qualität II – choix = Tabakpfeifenköpfe mit mehr als 3 Fehlern.
Qualität III – choix = Diese Tabakpfeifenköpfe kommen als Qualitätsware nicht mehr infrage.

Alle schadhaften Stellen am Pfeifenkopf werden ausgestochen und absolut hitzebeständig verkittet.

Pflege einer Tabakpfeife
Eine Tabakpfeife will gepflegt werden, sodass der Pfeifenraucher lange Zeit Freude an seiner Pfeife hat. Das Tabakloch muss in Abständen mit dem Pfeifenbesteck von Rückständen befreit werden. Filtersysteme, Papier- Metall oder Kohlefilter, sind in geringen Abständen auszutauschen. Auch ist es ratsam die Pfeife nach Gebrauch auskühlen zu lassen. Dies garantiert eine lange Lebensdauer der Tabakpfeife und erhöht den Rauchgenuss.

Einrauchen der Pfeife
Das Einrauchen einer Tabakpfeife ist eine Philosophie für sich. Jeder Pfeifenraucher hat seine eigene Meinung zu dieser äußerst wichtigen Angelegenheit. Von Pfeifenherstellern wird empfohlen, das Tabakloch zur Hälfte mit Tabak zu füllen und zwar im unteren Bereich leicht bis zum oberen Bereich fest angedrückt. Beim Entzünden des Tabaks ist darauf zu achten, dass der Tabak leicht aufquillt. Mit dem Pfeifenbesteck wird der klimmende Tabak leicht angedrückt. So ist ein dauerhaftes Verklimmen des eingefüllten Tabaks bis zum Ende gewährleistet.
Wurde die Pfeife früher mit „Fidibus“ (ein zusammengefalteter längerer Papierstreifen) entzündet, ging man später zu einem Holzspan, einem Streichholz und in neuester Zeit zu einem Gasfeuerzeug über.

Pfeifenrauchen war gesellschaftlich geachtet.
Die bekannteste Rauchergesellschaft Deutschlands dürfte das Tabakkollegium von Friedrich Wilhelm I. König von Preußen, gewesen sein. Dieser berief seine politischen Berater ein, um bei dem Genuss der Tabakpfeife weitreichende politische Entscheidungen zu treffen.
In England wurde zu Rauchparty`s eingeladen. Dazu wurde die passende Kleidung getragen, die heute noch unter der Bezeichnung „Smoking“ ein feststehender Begriff ist.
Besondere Beliebtheit erfreute sich die Tabakspfeife bei den Soldaten, die durch den Tabakgenuss ihren Hunger wegen mangelnder Verpflegung unterdrücken konnten.
1983 war Bundespräsident Karl Carstens zu Gast in Bad König. Als Gastgeschenk wurde ihm eine handgemalte Porzellangesteckpfeife mit Büffelhorn überreicht.

Über 100 Jahre erlebte die Tabakpfeifendrechselei in Bad König ihren Höhepunkt in Herstellung und Vertrieb.
Andere Rauchgewohnheiten, aber auch Billigprodukte aus dem Ausland trugen dazu bei, dass die Pfeifendrechselei nicht mehr rentabel war. 1988 wurde die letzte große Tabakpfeifenfabrik in Bad König, die Firma SCHOWA, geschlossen. Gute 100 Jahre Pfeifendrechselära Bad Königs waren vorüber.

Quelle:

Alfred Dunhill Pfeifenbuch
DNS-Drechselspazial
Edith Raddatz Von der Wurzel bis zur Pfeife
Fremdenverkehrsamt Bad König
Karlheinz Platte Tabakmuseum Lorsch
Karl Richard Schum Von der Wurzelknolle der Baumheide bis zur fertigen Pfeife
Otto Pollner Tabakpfeifen aus 2 Jahrhunderten
Pfeifenstudio Schweina/Thüringen
Stefan Benz Die Geschichte der Pfeifenherstellung ist abgeschlossen
U. Beckenhaub Heimatbuch Bad König
Wikipedia
Manfred Kassimir Text und Bilder
Ganz besonderen Dank gilt dem Heimatmuseum Bad König, dem Heimatmuseum Ruhla/Thüringen und dem Pfeifenstudio Hartmann in Schweina/Thüringen, namentlich Mayk Schwarz. Ohne deren Unterstützung wäre dieser Bericht nicht zustande gekommen