Das Köhlerhandwerk im Odenwald
Ein sagenumwobenes Handwerk
(Manfred Kassimir)


Die Holzkohlengewinnung ist eines der ältesten Handwerksgewerbe überhaupt. Das Jahrhunderte alte Handwerk ist in der heutigen Zeit vom Aussterben bedroht und wird nur noch von Hobby-Köhlern, die dieses Handwerk lieb gewonnen haben, betrieben.
Das Köhlerhandwerk ist eine Kunst, die nur in der Praxis erlernt werden kann. Die Holzkohle liefert den doppelten Heizwert wie Holz, hat aber lediglich ca. 20 % von dessen Gewicht.
Die Blütezeit des Köhlerhandwerks lag im 19. Jahrhundert. Abnehmer der Holzkohle waren Eisenhütten, Glockengießereien, Glashütten, Schmieden und Schneider (Erhitzen der Bügeleisen).
Bereits in der Frühzeit der Pfahlbauer wurde Holzkohle hergestellt, um daraus Teer zu gewinnen. Dieser Teer, eine abgesonderte Flüssigkeit, die bei der Herstellung von Holzkohle eigentlich als Nebenprodukt abfällt, wurde benötigt, um die zu verbauenden Holzpfähle haltbarer zu machen. Die gewonnene Holzkohle wurde dazu benutzt, um Metall aus Eisenerz zu gewinnen. Wurde die Holzkohlengewinnung zunächst in eigens dafür angelegte Erdgruben ausgeführt, ging man im Laufe der Zeit dazu über, das Köhlerhandwerk in der jetzigen Form zu betreiben. Der Vorteil der jetzigen Oberflächenverkohlung liegt darin, dass durch die zu regelnde Sauerstoffzufuhr eine bessere Verkohlung stattfindet. Bei der Erdgrubenverkohlung war dies nicht möglich.
Im Odenwald befinden sich viele unzugängliche Waldgebiete, die forstwirtschaftlich nicht genutzt werden konnten. Entsprechende Wege zum Abtransport des Holzes fehlten. Holzkohle hingegen ist leicht und kann, von Mensch und Tier, in Säcken verpackt, auf dem Rücken transportiert werden.
Alte Flurbezeichnungen weisen darauf hin, dass an diesen Stellen einmal das Köhlerhandwerk zugange war, wie z. B. Köhlerberg, Kohlwald, Kohlplatte, Kohlwiese usw..

Ein Kohlplatz musste für die Errichtung eines Holzkohlenmeilers einige Voraussetzungen erfüllen:
?Der Platz muss so gewählt sein, dass ausreichend Holz in der Nähe zur Verfügung steht.
? Der Kohlplatz muss ausreichend groß und eben sein.
? Der Boden des Platzes muss luftdurchlässig und feuchtigkeitsaufnahmefähig sein.
? Der Platz muss möglichst windgeschützt sein.
? In der Nähe des Platzes soll möglichst ein Fuhrweg vorbei führen.
? Ein kleiner Bachlauf in der Nähe ist ebenfalls wünschenswert.
Da im Odenwald die natürlichen Kohlplatten aufgrund der geologischen Gegebenheiten meist nicht vorhanden sind, muss die Kohlplatte oft künstlich angelegt werden, d. h. ein Teil eines Hanges muss abgetragen werden. Die hierbei anfallende Füllmenge wird dazu genutzt, den anderen, abfallenden Teil, damit zu befüllen.
Noch heute findet man im südlichen Odenwald die so genannten Kohlplatten, wenn man mit offenen Augen durch die Wälder spazieren geht.


Eine wie oben beschriebene Kohlplatte wird über einen längeren Zeitraum zur Herstellung von Holzkohle genutzt. Die zurückbleibenden Holzkohlenreste waren, zusammen mit Erde vermischt (Gestübb), die besten Voraussetzungen, um einen späteren Kohlenmeiler luftdicht abzudecken.

Die Herrichtung einer Kohlplatte
Die Kohlplatte muss zuvor von Unrat, Buschwerk und Gras gesäubert werden. Das alte, noch auf der Kohlplatte vorhandene ?Gestübb?, wird am Rande der Kohlplatte abgelegt.

Anlegen des Meilers
Der Mittelpunkt des Meilers wird festgelegt. Mittels einer Schnur oder durch ?Fußeln? wird der Außenkreis bezeichnet, der den Umfang des Meilers festlegt. Die Größe des Meilers richtet sich nach dem zu verkohlenden Holz. Der Durchmesser des Meilers wird in ?Schuhen? angegeben.
Die Seele des Meilers ist der so genannte ?Quandelschacht?, der spätere Zündschacht. Es werden drei Holzstangen im gleichen Abstand um den Mittelpunkt des Meilers in den Boden gerammt. Diese drei Stangen werden mittels Weiden- oder Haselnussgerten zylinderförmig zusammen gehalten.


Beim Errichten des Quandelschachtes ist darauf zu achten, dass dieser etwas höher liegt um die im Meiler bei der Verkohlung entstehende Feuchtigkeit nach außen hin abzuleiten.
Um den Quandelschacht herum wird nun das zu verkohlende Holz, 1 Meter lange getrocknete Holzscheite, mit leichter Schrägneigung an den Quandelschacht angelehnt und im Kreis aufgesetzt.
Bestens zum Verkohlen geeignet sind Buchen- und Eichenholz, das mittels eines speziellen Schubkarrens angekarrt wird. Aber auch andere Holzarten sind möglich.
Beliebt für die Verkohlung waren bei den Köhlern die so genannten ?Eichenchäilbriggel?. Das waren meterlange Eichenstangen. Die Rinde an den Stangen war bereits zur Gewinnung von Gerbsäure entfernt (Rennekloppen). Das Holz muss trocken und fein aufgerissen sein, damit es so dicht wie möglich aufgestapelt werden kann.

Je nach Größe des Meilers werden zw. 20 bis 100 Ster (Festmeter) Holz in 2-3 Lagen übereinander aufgeschichtet. Der Meiler läuft am oberen Ende kegelförmig zu.
Ist das Aufschichten des Meilers beendet, wird eine Hülle, das so genannte ?Raudach? auf den Meiler aufgebracht. Dazu wird mit Laub, Farn, Moos oder Grasplatten (Wässem) der Meiler abgedichtet. Als letzter Mantel kommt das ?Gestübbe? über den Meiler und wird fest gepatscht. Dadurch ist der Meiler nahezu luftdicht verschlossen.
Der Kohlenmeiler ist nun zum Entzünden hergerichtet.
Der Kohlenmeiler wird meist in den frühen Morgenstunden entzündet. Dies gibt dem Köhler die Möglichkeit, tagsüber das Anfeuern des Meilers zu beobachten und notfalls regulierend einzugreifen.


Der in der Mitte des Meilers liegende Quandelschacht wird zunächst mit 1/3 kalter Holzkohle befüllt. Auf diese Befüllung gibt der Köhler glühende Holzkohle. Der verbleibende Rest wird wieder mit kalter Holzkohle aufgefüllt. Anschließend wird der Quandelschacht mit einer Grasplatte (Wassem/Wässem) verschlossen. Dieser Vorgang wird mit dem Ausruf begleitet:
?In Gottes Namen!?

Nun liegt es an der Kunst des Köhlers, den Kohlenmeiler richtig verkohlen zu lassen.
Mit der ?Fillstang?, einer langen Holzstange, werden durch ein ausgeklügeltes System Luftlöcher, die so genannten ?Köhlerpfeifen?, in den Meiler gestoßen. Durch diese Luftlöcher wird der Verkohlungsvorgang reguliert. Steigt weißer Rauch aus den Löchern, ist der Verkohlungsprozess im Gange. Steigt fast durchsichtiger bis bläulich wirkender Rauch nach oben, setzt eine nicht gewollte Verbrennung ein. Durch Stoßen neuer und Verschließen vorhandener Löcher wird versucht, das ungewollte Verbrennen zu verhindern.
Die Verkohlung eines Meilers dauert ca. 8 ? 15 Tage, je nach Größe des Meilers. In dieser Zeit ist der Köhler ständig gefordert. Der Meiler steht unter ständiger Überwachung. Einrisse in die Meilerhaut müssen abgedichtet werden. Die Oberhaut muss ständig feucht gehalten werden. Verklebt die Erdabdeckung, z. B. durch anhaltenden Regen, besteht die Gefahr, dass der Gasaustausch des Meilers unterbunden wird und es zu einer Gasexplosion kommt. Ist der Köhler bei seiner Arbeit unaufmerksam, kann es schon einmal vorkommen, dass der Meiler abbrennt oder explodiert und damit die ganze Vorarbeit umsonst war.


Die Meilerverkohlung wird auch ?trockene Holzdestillation? genannt. Mit zunehmender Temperatur tritt eine Zersetzung des Holzes ein. Kohlenmonoxid und Kohlendioxid werden frei gesetzt. Bei einer Temperatur über 270 Grad setzt eine exotherme Reaktion ein, die sich durch starkes Qualmen bemerkbar macht. Durch Sauerstoffzufuhr (Luftlöcher) oder Sauerstoffentzug (Verschließen der Luftlöcher) wird die Verkohlung gesteuert. Im Kohlenmeiler entstehen Temperaturen bis 400 Grad. Durch die im Meiler bestehende Hitze wird dem Holz das Wasser entzogen.
Das Volumen des Holzkohlenmeilers schrumpft während der Verkohlungsphase auf ca. 1/3 seines ursprünglichen Ausmaßes. Bricht der Meiler an einer Stelle extrem zusammen, muss er an dieser Stelle mit neuem Holz befüllt und wieder abgedichtet werden. Anhand des austretenden Rauches kann der Köhler auch erkennen, in welchem Bereich der Meiler bereits durchgekohlt oder noch ?grün?, d. h. nicht verkohlt ist.
Bis der Kohlenmeiler durchgekohlt ist, wird von einem ?gar werden? gesprochen.
Zum Ende der Verkohlung werden die Luftlöcher wieder verschlossen.
Nun wird der Holzkohlenmeiler ?geputzt? oder ?geerntet?. Das ?Ernten? ist eine heiße und staubige Angelegenheit. Zumeist geschieht dies in den frühen Morgenstunden, um noch ein Auge auf mögliche Glutnester zu haben.


Die Abdeckschicht, das ?Gestübbe? wird abgezogen. Die erste Lage Holzkohle, die zum Vorschein kommt, wird kranzförmig um den Meiler herum zum Abkühlen abgerecht. Das Gestübbe wird wieder zurück auf den Meiler aufgebracht. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrmals, bis der gesamte Meiler aufgelöst ist.
Ist die Holzkohle endgültig abgekühlt, kann der Köhler dazu übergehen, die Kohle in Säcke für den Transport zu verpacken.
Kam der Kohlenmeiler frühzeitig zum Erlöschen, d. h., die unteren Teile des Meilers waren noch nicht durchgekohlt, sprach der Volksmund davon: ?Der Köhler hat Steppel gebrannt!?
Ein Köhler, der sein Handwerk professionell betrieb, hatte 2-3 Gehilfen, die ihm während der ganzen Zeit zur Seite standen. 5-7 Kohlenmeiler wurden durch solch eine Arbeitsgruppe betreut, wobei jeder einzelne Meiler versetzt zu den anderen Meilern entzündet wurde. So entstand zu keiner Zeit ein Leerlauf für den Köhler.
Durch die intensive Betreuung des Meilers hatte der Köhler keine Zeit, sich von diesem zu entfernen. Demzufolge brauchte der Köhler eine Köhlerhütte in der unmittelbaren Nähe des Meilers.

Die Köhlerhütte


Das Grundgebilde der Hütte besteht aus 3 Holzstangen, die am oberen Ende eine Astgabel aufweisen. Die Stangen werden pyramideförmig zusammengestellt, so dass die Astgabeln ineinander greifen. An diese Stangen werden weitere Stangen angelehnt. Diese werden mit ?Wassem?, Rinde, Laub und Moos abgedichtet. Die obere Spitze bleibt für den Rauchabzug frei. Eine Seite der Hütte bleibt offen. Über der Öffnung befindet sich ein leicht vorspringendes Dach. Der Eingang wird mit einem Holzkohlensack verhängt. Im Inneren der Hütte befindet sich ein Holzrost. Auf diesem wird trockenes Stroh oder Laub aufgeschüttet und dient dem Köhler als Lagerstatt. Zum Schutz vor Mäusen werden die Lebensmittel in der Pyramidenspitze aufgehängt.

Die Werkzeuge des Köhlers
Holzschlitten, Holzschubkarre, Rechen, Schaufel, Platscher, Fillstange, Korb.
Die meisten Köhlerwerkgeräte sind Werkzeuge, die sich über Jahrhunderte in ihrer Form erhalten haben. Sie haben sich ihre Einfachheit bewahrt. Verziehrungen an den Geräten fehlen gänzlich.

Der Holzschlitten


Der Holzschlitten, auch Hörnerschlitten genannt, war nicht nur bei den Köhlern, sondern auch bei den Holzhauern weit verbreitet. Er wird das ganze Jahr über zum Transport des Holzes genutzt. Das Holz wird auf den Schlitten geladen und die steilen Abhänge hinunter zum Kohlplatz geschleift.
Am Vorderteil des Schlittens befinden sich zwei hochgezogene Hörner. Damit ist es möglich, den Schlitten zu lenken, zu ziehen oder zu bremsen.


Die Holzschubkarre


Die Holzschubkarre oder der ?Hörnerkaich? ist einer normalen Schubkarre nicht unähnlich. Statt der Wanne befinden sich an allen vier Ecken hochgezogene Holzstangen. Zwischen diesen Stangen wird das Holz aufgeschichtet und in unmittelbare Nähe des Meilers transportiert.

Der Rechen


Der Rechen in verschiedenster Form dient zum ?Putzen?. des Meilers. Er hat einen besonders langen Stiel um nicht der Hitze direkt ausgesetzt zu sein.

Die Schaufel
Die Schaufel oder auch ?Schippe? genannt, wird dazu benutzt, das Gestübbe auf den Meiler aufzubringen. Der Schaufelstiel ist gerade und am Ende zugespitzt. Die Spitze dient zum Aufstoßen von Löchern.

Der Patscher
Mit dem Patscher wird das Gestübbe auf der Meileroberfläche festgeklopft.

Die Fillstange
Die Fillstange dient dazu, die Luftlöcher in den Meiler zu stoßen.

Der Korb
Der Korb hat eine ovale Form und wird mit der fertigen Holzkohle beladen, die anschließend in Säcke abgefüllt wird.

Der Steigbaum oder Leiter
Der Steigbaum wird aus einem Baumstamm gefertigt, der in gewissen Abständen eingekerbt ist und für die Füße als Steighilfe gedacht ist. Der Steigbaum wird an die äußere Seite des Meilers angelegt. Die Einkerbungen bilden nun waagrechte Stufen, um das Besteigen des Meilers zu ermöglichen. Heute wird in den meisten Fällen eine Leiter benutzt.

Die Hacke
Die Hacke hat ein breites Blatt. Sie wird zum Herrichten der Kohlplatte benutzt.

Der Kohlwagen
Der Kohlwagen hat an allen vier Rädern hoch stehende Holzstangen. Dazwischen befindet sich ein geflochtener Korb für die Aufnahme der Holzkohle. An der Unterseite des Korbes sind zwei Stangen angebracht. Sie dienen zum Tragen des Korbes.

Windschirm
Der Windschirm besteht in der Regel aus geflochtenem Ginster oder Schilf; kann aber ebenso aus Reisig oder groben Tüchern hergestellt sein. Der Köhler spannt den Windschirm, um den Meiler vor ungewollter Zugluft zu schützen.

Die Köhlerleuchte


Die Köhlerleuchte besteht aus Eisenbändern und hat die Form einer Kugel. Die Leuchte dient zum Wärmen und als Lichtquelle. Mittlerweile sind diese Leuchten durch Petroleumlampen ersetzt.

Quellen:
Herwig Klemp
Gotthilde Güterbock
Winfried Wackerfuß
Hans-Günter Morr
Friedrich Mössinger
Heinrich Winter
Gesangsverein Harmonie
und FC Odin
Horst Schnur
Bild Köhlerlampe
Bilde Köhlerschlitten u. Schubkarre
Manfred Kassimir

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Der Holzkohlenmeiler auf der ?Raubacher Höhe?
und Zeichnung Köhlerschlitten
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Museum für Stadtgeschichte und Volkskunde Heppenheim
Heimatmuseum Fürth-Erlenbach
Text und Bilder

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