Das Fachwerkhaus
(von Manfred Kassimir)

Das Fachwerkhaus ist ein einzigartiges reales Dokument aus vergangenen Zeiten. Im Gegensatz zum Brauchtum, das durch Wort, Bild und Schrift in die gegenwÀrtige Zeit vermittelt wird, ist das Fachwerkhaus ein tatsÀchlich sichtbares Dokument aus der Vergangenheit.
FachwerkhĂ€user sind in ganz Mitteleuropa zu finden. Die AusfĂŒhrungen der Verarbeitung und der Fassaden-gestaltung zeigen deutlich den Ort der Entstehung eines Baus und seiner Umgebung auf.

Auch spiegelt sich die Zeit wieder, in der die Fachwerkbauten entstanden sind.. Fachwerkbauten entstanden immer dort, wo das zu verarbeitende Material, nÀmlich Holz, leicht und billig zu erhalten war.
Die Fachwerkbauten stehen in Sachen Haltbarkeit den heutigen Steinbauten in nichts nach, vorausgesetzt, das tragende Holz wurde richtig verarbeitet. Der Fachwerkbau unterlag im Verlaufe der Zeit einer Weiterentwicklung, die an der angewandten Technik sichtbar wird.
Das Fachwerkhaus ist ein Bau mit tragendem HolzgerĂŒst. Mittels der Fachwerkbautechnik werden ganze GebĂ€ude oder auch nur Teile davon errichtet. Block- und Bohlenbauten fallen nicht unter den Begriff Fachwerkbau.
Die HohlrĂ€ume zwischen den einzelnen Balken werden ?Gefach? genannt. Das AusfĂŒllen der Gefache ist von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich.

Pfahlbau
Der erste, von Menschenhand geschaffene Holzbau, ist der so genannte Pfahlbau. Senkrechte, in die Erde eingegrabene HolzpfÀhle, werden mittels waagrecht verlaufender Verblattungstechnik stabilisiert.

StÀnderbau - Geschossbauweise
Diese Art der Technik besteht darin, dass die senkrechten Pfosten nicht mehr in das Erdreich eingegraben, sondern auf steinerne Sockel gestellt werden, die sich spĂ€ter zu einem steinernen Fundament, den so genannten Schwellen, ausweiteten. Diese steinernen Schwellen bilden die Grundlage fĂŒr die Weiterentwicklung des Fachwerkbaues.
Bei der StĂ€nderbauweise werden die Eck- als auch Mittelpfosten immer aus je einem Stamm gefertigt und mit waagrecht verlaufenen Balken verblattet um die notwendige StabilitĂ€t zu erhalten. Zur Sicherung des rechten Winkels dienten lange schrĂ€ge Schwertungen. Die Sicherheit der Winkel wird ferner durch angeblattete, spĂ€ter verzapfte Kopf- und Fußstreben und durch Verriegelung der vorkragenden Deckenbalken und spĂ€ter durch Knaggen erreicht. Der Abschluss des Aufbaus ist eine VerrĂ€hmung, auf der schließlich das Dach aufsetzt (Traufhöhe).

RĂ€hmbauweise - Stockwerkbauweise
Diese Bauweise fand etwa ab dem 16. Jahrhundert Einzug in die Fachwerkbautechnik und wurde bis ins 19. Jahrhundert beibehalten. Die tragenden StÀnder wurden auf Stockwerkshöhe gebracht. Die waagrechten Hölzer wurden mit den senkrechten StÀndern verblattet, spÀter verzapft. Mit Beginn der RÀhmbauweise, ab dem 16. Jahrhundert, fand die Schwelle Verwendung.
Im RĂ€hmbau verschwand die Knaggenverriegelung des GebĂ€lks und wurde durch die VerkĂ€mmung ersetzt. Dadurch wurden die GeschossĂŒberstĂ€nde geringer. Die RĂ€hmbauweise war bis weit ins 19. Jahrhundert vorherrschende Bauweise. Auf jedes Stockwerk wurde ein so genanntes RĂ€hm- oder Rahmholz aufgebracht und war gleichzeitig die Schwelle fĂŒr das nĂ€chste Stockwerk. Der Einsatz der Schwelle hat den Vorteil, dass die Anordnung der Bund- und StĂ€nderpfosten unabhĂ€ngig von der darunter oder darĂŒber liegenden Balkenlage wurde.
Durch schrĂ€ge Fußstreben bekam der Fachwerkbau seine nötige StabilitĂ€t. Der Vorteil dieser Bauweise lag auf der Hand. Das Haus konnte durch diese Bauweise aufgestockt oder zur Seite erweitert werden ohne die ursprĂŒngliche Bausubstanz zu beschĂ€digen oder zu beeintrĂ€chtigen.

AufzĂ€hlung der FachausdrĂŒcke
Fachwerk ist eine Holz sparende, tragende Skelettkonstruktion, bei dem zunÀchst die senkrechten Pfosten in die Erde eingegraben, spÀter aber auf Steinsockeln oder Schwellen aufgesetzt wurden.
Geschossbauten Ab der 2. HĂ€lfte des 13. Jahrhunderts wurden Fachwerkbauten als Geschossbauten errichtet, d. h. die Bund- und EckstĂ€nder erstreckten sich ĂŒber mehrere Geschosse.
Stockwerksbauten Stockwerksweise errichtetes Fachwerk, das unabhĂ€ngig von Stockwerk auf Stockwerk aufgebaut wurde. Die darĂŒber liegende Balkenlage war meist auskragend.
FirststĂ€nder sind StĂ€nder, die ĂŒber mehrere Stockwerke bis in den Dachraum reichen oder aber StĂ€nder, die von der Dachbalkenlage bis in den First reichen.
Verblattung Die Hölzer werden an den Verbindungsstellen auf die HÀlfte abgearbeitet und
bĂŒndig ĂŒbereinander gesetzt. Die beiden Balken werden mit einem Holznagel
verbunden. Verblattung war eine starre Verbindung zw. StÀnder und Brustriegel, die spÀter durch die Verzapfung abgelöst wurde.
Verzapfung An der Kopfseite eines Balkens wird der Zapfen herausgearbeitet, der dann im GegenstĂŒck, eines herausgearbeiteten Loches eingepasst wird. Beides wird mit einem Holznagel verbunden. Die Verzapfung hat die Wirkung eines Gelenkes und ist in sich beweglich. Nachteil der Verzapfung ist die nur ĂŒber kĂŒrzere Distanz erreichbare StabilitĂ€t.


VerkĂ€mmung Diese Technik ist Ă€hnlich der Verblattung. Es wird aber led. ein kleiner Teil der Verblattung ausgearbeitet. Die Balken schließen nicht bĂŒndig.
StĂ€nder senkrechte aufgesetzte oder verzapfte Balken auf Schwellen oder Schwellriegel. Man unterscheidet zw. Eck-, Wand- und TĂŒr/FensterstĂ€nder.
EckstĂ€nder befinden sich an den Ă€ußeren Ecken des Hauses.
BundstÀnder befinden sich innerhalb der Wand.
ZwischenstĂ€nder dienen der ÜberbrĂŒckung grĂ¶ĂŸerer Entfernungen innerhalb der Wand.
Grundschwelle liegt auf der Sockelmauer auf und wird an den Ă€ußeren BerĂŒhrungspunkten ĂŒberblattet oder verkĂ€mmt.
Schwellriegel dies sind Balken, die zwischen den StÀndern waagrecht eingezapft sind.
RÀhm ist der waagrechte Balken als oberer Abschluss auf den StÀndern. Er ist zumeist gezapft und wird auch als RÀhmholz bezeichnet.
Riegel dies sind die horizontalen Balken zw. den StÀndern. Der Namen besagt, dass hier etwas versperrt ist ? in diesem Fall werden die StÀnder am verschieben gehindert. ZunÀchst wurden die Riegel geblattet, spÀter verzapft.
Schwertung Die Schwertung entstand beim Übergang vom Pfahl ? in die StĂ€nderbauweise. Sie dient dazu, die StĂ€nder gg. Verwindung zu schĂŒtzen und erstreckt sich meist ĂŒber mehrere Stockwerke des Fachwerkhauses und verbindet mehrere StĂ€nder miteinander. Die Schwertung wird verblattet.
Die Streben Sie unterteilen sich in Kurzstrebe, Fußstrebe, Kopfstrebe, Kreuzstrebe.
Kurzstreben sind alle Kopf- und Fußstreben, die von der Schwelle oder dem RĂ€hmholz halbhoch in die StĂ€nder eingezapft sind.
Fußstreben die gerade oder viertelkreisförmig zwischen Schwelle und StĂ€nder angeordnet sind. Zu diesem Begriff gehören z. B. die Ÿ geschosshohen Streben, die die Beine des ?Hessenmannes? bilden.
Kopfstreben sind die GegenstĂŒcke zur Fußstrebe und werden als Streben zw. StĂ€nder und RĂ€hmholz angelegt. Sie bilden die Arme des ?Hessenmannes.?
Kreuzstreben, dazu gehören brĂŒstungshohe, halbhohe oder geschosshohe Andreaskreuze.

Bundverstrebungen bestehen aus 2 geschosshohen Strebenkreuzen an den Eck- und BundstÀndern
Hessenmann 3/4 hohe Fußstreben werden nach oben durch Kopfwinkel ergĂ€nzt.
Fuß- u. Kopfband 1/4 bis 1/3 geschosshohe Streben zur Schwelle oder RĂ€hm oder RĂ€hm und StĂ€nder. Wurden bis ins 16. Jahrhundert angeblattet, spĂ€ter verzapft. Ende des 15. Jahrhunderts tritt im Bereich der Kopf- und FußbĂ€ndern ein in sich kreuzendes Motiv, das so genannte ?Andreaskreuz? oder ?Malkreuz? zw. senkrechter und waagrechter Konstruktionshölzer, auf.
Fuß- u. Kopfwinkelholz sind ganz ausgefĂŒllte dreieckige Hölzer zur Aussteifung der StĂ€nder in Schwellen- als auch im RĂ€hmbereich.
Balkenköpfe springen als dekorative Zierglieder vor die Bauflucht. Je nach Ausladungsgrad werden teilweise reich verzierte Knaggen zur Verriegelung des Balkens angesetzt.

Knagge Als Knagge wird das konsolenartige Holz zur UnterstĂŒtzung des auskragenden Deckenbalkens bezeichnet. Die Knaggen fĂŒllen den Winkel zw. StĂ€nder und Balken voll aus und dienten der Querversteifung.

Auskragung ist der Vorsprung eines Balkens ĂŒber einem Stockwerk. Auskragungen erreichten eine LĂ€nge von 0,7 m, bis sie behördlicherseits auf max. 1/2 Fuß = 15 cm zugelassen wurden (FeuerverhĂŒtungsordnung = Brandgefahr). Besonders weiter Auskragungen mussten mittels Knaggen gestĂŒtzt werden, was zur Querversteifung der Wand. Beim ZurĂŒckgehen der Auskragungen dienten die Knaggen led. Noch als Schmuck beitrug.

Erker sind herauskragende Bauteile die nicht bis zum Boden reichen, sondern meist ĂŒber dem Erdgeschoss mit Konsolen oder Knaggen abgefangen werden und die gewonnene FlĂ€che in den Wohnbereich integriert ist.

Sichtfachwerk ist ein sichtbares Fachwerk. Das Holzskelett und die Gefache sind sichtbar.
Putzfachwerk ist ein ĂŒberputzter oder sonst verkleideter Fachwerkbau (Schiefer od. Schindeln).
Kratzputz Eingekratzte Verzierungen im Putz der Gefache, die aus der techn. Notwendigkeit heraus entstanden sind.
Traufe ist der untere Dachabschluss und dient dem Auffangen und Ableiten des Regenwassers.

OdenwÀlder Fachwerkbau

Der OdenwÀlder Fachwerkbau ist sehr stark durch die frÀnkisch. Bauweise beeinflusst.
Die noch heute existierenden und liebevoll erhaltenen Fachwerkbauten gehen meist bis ins 17. Jahrhundert und jĂŒnger zurĂŒck, wenn man von einigen Ausnahmen, z. B. des MichelstĂ€dter Rathauses 1484, absieht. Das liegt zum Einen an den vielen Zerstörungskriegen, insbesondere des 30-jĂ€hrigen Krieges, durch die der Odenwald regelmĂ€ĂŸig ĂŒberzogen wurden und zum Anderen daran, dass man die vorhandenen Kleinode recht spĂ€t erkannt und entsprechend geschĂŒtzt hat.
Aufgrund der Mittelgebirgslandschaft des Odenwaldes kam in den meisten FĂ€llen fĂŒr den Hausbau die Hanglage infrage, d. h. der Untergeschossbau des Fachwerks, das in der Regel aus Naturstein bestand, ragte zur Straßenseite hin in voller Etagenhöhe aus dem Boden, die RĂŒckfront hingegen steckte in der Erde.

Der Keller wurde aus Natursteinen (Standstein/Granit) errichtet und diente als Schwelle zum Aufbau des FachwerkgerĂŒstes. Der Grundriss eines OdenwĂ€lder Fachwerkhauses war im Prinzip immer gleich, wenn man von einigen, der Lage entsprechenden Abweichungen einmal absieht.
Das typische OdenwĂ€lder Fachwerk- oder Bauernhaus besitzt i. d. Regel ein Untergeschoss aus Sandstein/Granit. Das Untergeschoss beherbergt StĂ€lle und Keller. Der Eingang zum Wohnbereich befindet sich an der LĂ€ngsseite (Traufenseite) des Hauses und ist ĂŒber eine einlĂ€ufige oder zweilĂ€ufige Steintreppe, Staffel genannt, erreichbar.
Die Gliederung des Hauses erfolgt in drei Zonen:
Die mittlere Zone umfasst den Flur (Ärn) und die KĂŒche
Die Wohnzone befindet sich zur Straßenseite hin
Die Schlafzone befindet sich an der RĂŒckseite des Hauses.

Die Innentreppe, die ?StÀg? oder ?StÀig? ist aus Holz und verbindet den Wohnbereich mit dem Dachgeschoss. Diese Form des Hauses wird als ?Gestelztes Haus? bezeichnet.
Eine andere Form des Hausbaues ist das ?gestreckte? oder ?ebenerdige Einheitshaus?. Hier befinden sich der Wohnraum und die Stallungen unter einem Dach auf gleicher Ebene. Eine Außentreppe ist nicht nötig. Der Wohnraum ist ebenerdig betretbar und der Keller von außen zugĂ€nglich. Eine Treppe an der Außenseite fĂŒhrt in die Tiefe. Nach oben aufzuklappende TĂŒren sind die Eigenarten des ebenerdigen Einheitshauses. Der Keller ist auch ĂŒber den Wohnbereich, meist der KĂŒche, ĂŒber eine Treppe erreichbar.

Bei grĂ¶ĂŸeren Gehöften wurden Stall, Scheune, Schuppen und Tenne um das Wohnhaus herum gruppiert, so dass das gesamte Ensemble ein offenes Viereck bildet. Alle GebĂ€ude stehen getrennt voneinander und werden als ?Mitteldeutsches Gehöft? bezeichnet.
Fensteröffnungen im Kellerbereich wurden durch so genannte Schiebesteine verschlossen. Diese Schiebesteine bestehen aus behauenen Steinplatten, die eingemeißelte Rillen und einen erhabenen Knauf zum Anfassen aufweisen.

Die Wetterseite des Hauses ist i. d. Regel geschindelt, um Holz und Putz der Gefache vor den Unbilden des Wetters zu schĂŒtzen. Die Fenster sind klein gehalten. Sie weisen meist ein kleines Schutzdach auf. Werden sĂ€mtliche Formen des Hausbaues im Odenwald betrachtet, stellt man rasch fest, dass Mensch und Tier meist unter einem Dach zusammen lebten, dem so genannten Wohn-Stallhaus.

Gefache
Die leeren Gefache des Fachwerkbaues im Odenwald werden mit einem hölzernen Flechtwerk ausgefĂŒllt, d. h. beim OdenwĂ€lder Fachwerkbau fanden Staken, die senkrecht in die Balken eingelassen wurden, Verwendung. Mittels Weidenzweigen wurde das Gefach waagrecht ausgeflochten. Die Außen- wie die Innenseite wurde mittels eines Lehm/Strohgemischs beworfen und damit verputzt, anschließend gekalkt.

Kratzputz
Schönster und eigenartigster Schmuck eines OdenwÀlder Fachwerkhauses ist der Kratzputz.
Bei dem Aufputz Lehm/Strohgemisch besteht die Gefahr der Rissbildung. Um diese Rissbildung zu verhindern, wurden kĂŒnstliche Einschnitte im Putz vorgenommen, die als Kratzputz bekannt wurden.
Der Kratzputz unterscheidet sich in seinen Formen in 3 Hauptgruppen:
Strichelmanier Das Schmuckbild wird durch das Einritzen mit einem spitzen Gegenstand erzeugt. Die Einritzung kann mit dem Fingern nachgefahren werden.
TĂŒpfel- od. Stempelmanier Bei diesem Verfahren wird das Muster mittels eines BĂŒndels von Spitzen oder Stempeln eingedrĂŒckt.
Reliefmanier Ornamente, wie z. B. Blumen, BlĂ€tter, BlĂŒten oder Lebensbaum werden großflĂ€chig mittels einer Spachtel eingedrĂŒckt.
Die einfachste Gestaltung des Kratzputzes erfolgt mittels eines 5-zinkigen Kamms, der am Rand der Gefache entlang gefĂŒhrt wird. Die einfachste Verzierung ist die Rautenform. Auch SprĂŒche wurden an verschiedenen Stellen des Kratzputzes eingebracht, so z. B. der ĂŒberlieferte Spruch:

?Schöne MÀdchen hat Gott erschaffen
fĂŒr Maurer und nicht fĂŒr Pfaffen?.


Die Kratzputzfelder sind i. d. Regel mit einem eingeritzten Rand umgeben, der farblich von der ĂŒbrigen FlĂ€che abgesetzt ist.

Im weiteren Verlauf des Fachwerkbaus wurde durch den Zimmermann nicht nur Wert auf eine stabile Konstruktion des HolzgerĂŒstes gelegt, sondern auch Wert auf das schmuckvolle optische Aussehen des sichtbaren HolzgerĂŒstes gelegt. Andreaskreuze, Rauten, Kreise usw. werden in das Fachwerk als SchmuckfĂŒllung eingearbeitet.
Die geometrische Ansicht spielt ebenso eine große Rolle wie auch der Wunsch des Bauherrn, das GebĂ€lk mit Schnitzereien zu verzieren. Ob diese Schnitzereien Symbolcharakter Ausdruck verleihen sollten oder ob led. es ein Kunstwerk darstellen sollte, mag dahin gestellt bleiben.

Das Strohdach war einst die gĂ€ngigste Art im Odenwald ein Dach einzudecken. Stroh und der dazu benötigte Lehm waren Materialien, die einfach und billig zur VerfĂŒgung standen. Ziegel oder Schiefer waren meist unerschwinglich und mussten auf unwegsamen Wegen herbei geschafft werden.
Stroh als Dachbedeckung hatte den Vorteil, dass der Innenraum des Hauses im Sommer angenehm kĂŒhl gehalten wurde und im Winter wĂ€rmte. Das OdenwĂ€lder Strohdach wird in 2 Arten unterschieden:
Hampfeldach aus Korn- oder Weizenstroh ausgedroschenes Stroh das kunstvoll verknĂŒpft war und als trockenes Dach das ganze Jahr ĂŒber hergestellt werden konnte. Meist fand diese Art der Eindeckung bei Scheunen statt.
Lehmdach Diese Art Bedachung konnte in der feuchten Jahreszeit nicht hergestellt hergestellt werden. Das Dach bestand abwechselnd aus Stroh und nassem Lehm, die auf den Dachlatten sich mit der Zeit zu einer sehr festen, wÀrme haltenden Masse verbanden. Diese Arbeitsweise fand beim Wohnhausbau Anwendung. Eine Bepflanzung des
Daches, z. B. mit Hauswurz, ergab eine weitere StabilitÀt des Daches.
Die auf dem Dach schindelartig aufgebrachten StrohbĂŒndel wurden auch Strohfackeln genannt. Das StrohbĂŒndel wurde mit Strohhalmen leicht zusammen gebunden und dann in der Mitte geteilt. Ein Teil des StrohbĂŒndels wurde um 360 Grad gedreht, so dass optisch daraus 2 zusammenhĂ€ngende StrohbĂŒndel entstanden. Diese BĂŒndel wurden an einem Ende beschnitten und schindelartig auf den Dachlatten befestigt. Den Dachabschluss bildeten die so genannten ?Wassamplatten?. Wassamplatten sind abgestochene Grasplatten, die beidseitig des Firstes die Stroheindeckung ĂŒberlappen.

Das Dach eines Fachwerkhauses hatte fĂŒr seinen Besitzer eine besondere Bedeutung, die sich in den nachfolgend aufgefĂŒhrten SprĂŒchen wiederspiegeln:

"Alles unter Dach und Fach" ? bedeutet, eine angefangene Sache beendet zu haben.
"Kein Dach ĂŒber dem Kopf" ? bedeutet, arm sein und nirgendwo zu Hause.
"Demm falle koa Zischel vum Dach" ? Personen ohne Grundbesitz und zur Miete wohnend.
"Mehr Schulden als Ziegel auf dem Dach" ? Personen in wirtschaftlicher Not.
"Der liecht (lĂŒgt) des Blaue vum Himmel runner" ? ein unehrlicher Mensch sein.
Weitere SprĂŒche, die heute noch ihre Bedeutung haben, seien hier aufgezĂ€hlt:
"Vom Regen in die Traufe kommen"
"Jemanden aufs Dach steigen"
"Einen Dachschaden haben"
"Demm is e Zischel verrutscht"
"Des koannst de mache wie en Dachdecker"

Glaubte man zu frĂŒheren Zeiten noch an die bösen Geister, wenn ein Haus Opfer der Flammen wurde (es wurden GewitterbĂ€ume gepflanzt, die den Blitzeinschlag in das Haus verhindern sollten), so vertraute man spĂ€ter mit wachsender AufklĂ€rung mehr der rationalen Hilfe, wie z. B. dem Verbot , das Dach mit Stroh einzudecken und der Anschaffung von FeuerlöschgerĂ€ten. Ein Ausspruch, das Feuer betreffend, ist noch ĂŒberliefert:
?Do saß der route Gockel uff`m Dach.?
Heute gibt man dem Ziegeldach den Vorzug, da dieses wesentlich lÀnger haltbar ist und die Feuergefahr deutlich herabsetzt.



Quellen:

Binding-Mainzer-Wiedenau Kleine Kunstgeschichte des deutschen Fachwerkbaus
GĂŒnther Binding Fachwerkterminologie fĂŒr den hist. Holzbach Fachwerk-Dachbau
Manfred Gerner FachwerksĂŒnden
Gollbach ? Held Formen, Schmuck und Symbolik im Fachwerkbau
Ulrich Großmann Fachwerk in Deutschland
Friedrich Mössinger Was uns der Odenwald erzÀhlt Bd, III
Heinrich Walbe Das hessisch-frÀnkische Fachwerk
Manfred Kassimir Text und Bilder ? Die Zeichnungen sind in vereinfachter Form wiedergegeben.

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