Osterbrauch im Odenwald
(Manfred Kassimir)

Das Osterfest ist das höchste christliche Fest im Kirchenjahr. Wie viele andere christlichen Feste, so hat auch Ostern einen weit vorchristlichen Ursprung.

Bis sich die christliche Glaubenslehre dem Osterfest annahm, bestand Sinn und Zweck der vorchristlichen Feiern darin, den Übergang des Winters in den Frühling zu feiern. Der Winter wurde vertrieben und das Leben in der Natur erwachte. Die Menschheit versuchte seit jeher sich die Lebenskraft der Natur zu erhalten. Die Wiederbelebung der Natur nach einem langen und harten Winter sollte gebührend bejubelt werden. Zur Osterzeit brechen die ersten Blüten aus der Erdkrume oder Zweigen hervor. Die Luft verbreitet spürbar einen eigentümlichen frühlingshaften Geruch und jeder spürt, dass jetzt langsam der Frühling naht.


Zu germanischer Zeit wurden Riten gepflegt, die heute noch in christlicher Zeit Anwendung finden (Osterfeuer, reinigendes Feuer).
Wenn alle bekannten Osterbräuche zusammen gesehen werden, wird deutlich, wie tief diese in uns verwurzelt sind. Hat sich auch das Gewand teilweise verändert, der ursprüngliche Sinn des Osterbrauchtums ist erhalten geblieben.
Aber auch in anderen Glaubensformen fallen Festlichkeiten in diese Jahreszeit, z. B. das jüdische "Passahfest". Diesem jüdischen Fest liegt die "Befreiung des jüdischen Volkes aus der ägyptischen Gefangenschaft" zu Grunde.

Ostern ist ein beweglicher Feiertag und wird nach dem Mondkalender festgelegt. Der Ostersonntag fällt immer auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, d. h. Ostersonntag liegt datumsmäßig immer zwischen dem 22. März und dem 25. April eines jeden Jahres.

Dieser Zeitrahmen wurde auf dem päpstlichen Konzil von Nicäa 325 n. Chr. festgelegt und hat sich bis heute nicht verändert.Aber nicht nur die Kirche bietet ihren Menschen eine Form des Feierns an, sondern die Menschen selbst haben im Laufe von Jahrhunderten bestimmte Traditionen entwickelt, wie sie sich das Osterfest vorstellen und entsprechend feiern möchten.

Das Volksbrauchtum schlägt einen Bogen von naturgebundenen Erfahrungswissen zu den heimatlichen Alltagsgewohnheiten. Diese Symbolhandlungen, die regional verschieden sind und zum Teil aus Glauben und Aberglauben bestehen, machen das Volksbrauchtum aus.
Das Volksbrauchtum spannt einen Bogen zwischen Gefühl, Wissen, Glauben, Liebe, Hoffnung und zweckmäßigen Handlungen. Aus dieser Mischung heraus wird auch das Osterbrauchtum genährt.

Das Osterbrauchtum darf nicht für sich alleine betrachtet werden. Die Bräuche im Winter gehend fließend in die Sommerbräuche über. Dazu muss man wissen, dass es in vergangener Zeit nur zwei Jahreszeiten gab, nämlich die Sommer- und die Winterzeit.
Um den Winter zu vertreiben, oder besser ausgedrückt, den "Winter verbrennen", oder den "Winter austragen", wurden aus Stroh und Lumpen Puppen hergestellt, die unter Singen durchs Dorf getragen und anschließend verbrannt wurden. Mit dem dabei veranstalteten "Peitschenknallen" wurde der Winter vertrieben und der Sommer (Frühjahr) hielt Einzug.

Von einem anderen Brauch wird berichtet, dass junge Burschen und Mädchen über das "Osterfeuer" sprangen und mannshohe Räder brennend einen Abhang hinunter gerollt wurden (das Rad ist das Symbol für das Sonnenzeichen und soll Felder fruchtbar werden lassen).

Das Osterfeuer ist das Symbol der Reinigung, wird aber auch als Mittelpunkt des Lebens, der Fruchtbarkeit und des Wachstums der Ernte angesehen. Es werden im Dorf alte, morsche oder unbrauchbare Hölzer zusammen getragen und zu einem Haufen aufgeschichtet und in der Nacht von Ostersamstag auf Ostersonntag entzündet. Regional verschieden wurde das Osterfeuer z. B. von dem örtlichen Priester geweiht. Die Osterkerze wird am Osterfeuer entzündet und begleitet mit ihrem Leuchten die christliche Gemeinde durch das gesamte Kirchenjahr.
Mittels Fackeln oder anderen brennbaren Materialien wurde das geweihte Feuer vom Osterfeuer aus in jeden Haushalt getragen und dort der heimische Herd entzündet. Böse Geister sollten davon abgehalten werden, im Haus Unglück oder Krankheit zu verbreiten.

Zur Ostermythologie gehört es auch, am Ostermorgen, in aller Frühe, vor Sonnenaufgang, Quellwasser aus einer bestimmten Quelle oder einem Brunnen zu schöpfen. Das geschöpfte Wasser soll Heilwirkung besitzen. Dieser Brauch wird nur von unvermählten jungen Frauen durchgeführt und es ist darauf zu achten, dass das Wasser schweigend geschöpft und nach Hause gebracht wird. Während dieser Zeremonie darf weder gesprochen noch gelacht werden, ansonsten verfliegt die heilende Wirkung und das geschöpfte Wasser verwandelt sich zum sogenannten "Babbelwasser", ohne die gewünschte heilende Wirkung.

Ab Karfreitag verstummen die Kirchenglocken. In den katholischen Gegenden des Odenwaldes heißt es, dass die Glocken nach Rom geflogen sind, um am Ostersonntag gereinigt wieder zurück zu kehren. Um die Gemeinde trotzdem aufzufordern, dem Gebot des Gebetes nachzukommen, springen junge Burschen und Mädchen mit selbst gefertigten Klappern und Ratschen durchs Dorf und veranstalten dadurch einen Riesenlärm.

Hierbei werden Sprüche aufgesagt, wie:


"Wir klappern um ein Ei,
wir nehmen auch zwei, drei,
drei müssen heraus,
sonst kriechen wir ins Hühnerhaus,
und holen sie alle miteinander
raus!"

oder

"Hej ihr Leit, legt Eier raus,
die Hinkel lege sonst neben raus!"

Liebend gerne werden die geforderten Gaben ausgeteilt um die Jugendlichen in ihrem Treiben zu unterstützen und zu belohnen.

Ein weiterer Osterbrauch ist das Zubereiten des Osterlammes. Dieser Ritus wird auf das jüdische Passah-Fest zurück geführt, wo ein richtiges Lamm dem Gott geopfert wird, wohingegen das Opfern des Osterlammes in unseren Breiten nur eine symbolische Bedeutung hat. Das Ostergebäck wird auch Gebildbrot genannt. Außer der Form des Osterlammes werden auch Vögel, Sonnen, Hasen und Zopfformen in eine entsprechende Holzform eingebracht und mit Hefeteig gebacken. Einzige Ausnahme bildet hier das Osterlamm, dieses wird mit Biskuitteig hergestellt. Mit Vorliebe wird dieses Gebildbrot an nahe stehende Personen verschenkt.
Gebildbrot auch deshalb, weil nicht nur zur Osterzeit, sondern auch zu anderen Feiertagen Gebildbrot mit den entsprechenden Motiven hergestellt wird.


Es gibt noch weitere Formen des Osterbrauches, die sich bis in die heutige Zeit erhalten haben bzw. noch ohne nachlassende Freude zelebriert werden und die eigentlichen volkstümlichen Elemente beinhalten:

Hier ist die Rede vom Osterhasen, dem Osternest und dem Osterei.
Der Hase und das Ei waren bereits in der ägyptischen Mythologie das Symbol der Fruchtbarkeit und wurden mit diesem Anspruch an die unterschiedlichsten Kulturen weiter gereicht.
Es ist überliefert, dass bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. sich die Menschen gegenseitig Eier als Geschenkgaben überreicht haben. Waren die Eier zunächst noch unbehandelt, d. h. naturfarben, kamen bereits im 4. Jahrhundert n. Chr. die ersten farbigen Eier auf, wobei die Farbe "Rot" dominierte.
Ab dem 16. Jahrhundert entwickelte sich der Ostereierbrauch immer weiter bis hin zu einer Eigestaltung die wahren Kunstgegenständen gleichen und alle erdenklichen Farben und Bearbeitungstechniken aufweisen. Viele dieser Techniken sind noch bis in unsere heutige Zeit überliefert und erfreuen sich weiter großer Beliebtheit.
Es können hier nur die gebräuchlichsten Techniken der Ostereiergestaltung aufgeführt werden um den vorgesehenen Rahmen nicht zu sprengen:

Die einfachste Gestaltung eines Ostereies ist das Einfärben mit natürlichen Farben, die aus der Natur gewonnen werden können. Hierzu finden, zum Teil heute noch, Zwiebelschale (braun), Heidelbeersaft (blau), Brennnesselwurzel (gelb) oder Spinatsud (grün) und Labkraut oder Rotkraut (rot) Anwendung


Das Batikei wird in rohem Zustand mit heißem Wachs bemalt, z. B. Ornamente, Blumen usw., und anschließend in eine Farbbrühe gelegt und gekocht. Zum Schluss wird das Ei mit einer Speckschwarte abgerieben und erhält dadurch sein glänzendes Äußeres.

Das Wachsei wird gekocht und abgekühlt. Anschließend wird das Ei mit heißem Wachs beschrieben oder verziert und in eine Farbbrühe eingelegt. Hat die Eierschale die Farbe aufgenommen wird der Wachs entfernt und die helle Eierschale kommt an dieser Stelle wieder zum Vorschein.

Das Wickelei wird noch in heißem Zustand mit einem bunten Wollfaden umwickelt. Ist der Wollfaden wieder trocken wird er abgenommen. Es haben sich um das Ei farbige Ringe gebildet. Oder das rohe Ei wird in Blätter eingehüllt und zusammen mit der Umhüllung gekocht. Die Farbe überträgt sich zart u die Übergänge weich.

Das Ameisenei wird gekocht und eingefärbt.
Ein Ameisenhaufen wird aufgesucht und das Ei hinein gelegt. Die Ameisen bespritzen das Ei mit ihrer Säure und es entstehen sehr willkürliche Muster in Form von Blitzen. Diese willkürlichen Muster wurden oft zur Deutung vom zukünftigen Glück oder Unglück heran gezogen.


Das Leimei wird mit Schreinerleim, dem Farbstoff zugesetzt ist, mit den Fingern bemalt. Es entsteht eine Marmorierung des Eies, das im Übrigen auch gerne für die anschließenden Eierspiele benutzt wurde, da es durch den aufgebrachten Leim robuster war.

Das Kratzei wird zunächst gekocht und eingefärbt. Anschließend wird Die Eierschale mit einem spitzen harten Gegenstand bearbeitet. Die Verzierung hebt sich weiß von dem farbigen Ei ab.

So wurden und werden sogar ganze Sprüche oder Liebeserklärungen in das Ei eingeritzt:


"Aus lauter Lieb und Treu
Bescher ich Dir dies Ei!"

"Aus treuer Freundschaftshand
nimm hier das Ei als Unterpfand!"

"Aus Liebe schenk ich Dir ein Ei,
dass es ein Sinnbild des Lebens sei
und ein Zeichen meiner Treue!"

Das Binsenei wird mit dem aus dem Mark der Binse gewonnenen wollähnlichen Material spiralförmig umwickelt. Zuvor wurde das Ei auf beiden Seiten aufgestochen und das Eigelb und Eiweiß heraus geblasen. Die Binseneier werden an einem Eiende mit einer Schlaufe am anderen Ende mit einer Quaste versehen und als Schmuckstücke das ganze Jahr über in der "Gutt Stubb" aufgehängt.

Die Eierkette besteht aus bunt bemalten ausgeblasenen Eiern, die zu einer Kette, verbunden mit einem dünnen Faden, aneinander gereiht werden. Die Eierkette diente zum traditionellen Ausschmücken des Wohnhauses.

Zur Ostertradition gehören auch die Ostergeschenke. Wurden zu früherer Zeit meist die oben beschriebenen bunten und oft auch reich verzierten Eier verschenkt, fallen die heutigen Ostergeschenke üppiger aus. Die Ostereier aber erfreuen sich trotz anderer zahlreicher Geschenke immer noch größter Beliebtheit und sind aus dem Osterbrauch nicht wegzudenken.

Die Geschenke werden etwa seit dem 17. Jahrhundert nicht persönlich überreicht, sondern im Garten versteckt. Hierfür wurden eigens hergerichtete Nester oder Gärtchen aus Moos angelegt um dem Osterhasen den Weg für seine Geschenkesgaben zu zeigen. In anderen Gegenden werden so genannte Tunnel hergerichtet, um die Ostereier darin zu verstecken. Es werden biegsame Weiden- oder Haselnussruten bogenförmig in den Boden gesteckt und anschließend mit Moos abgedeckt. Man spricht von offenen bzw. geschlossenen Osternestern. Aber alle Osternester haben eines gemeinsam:

Um dem Osterhasen den richtigen Weg zum Nest zu zeigen, wird das "Hasenbrot" (Hainsimse) in das Nest gelegt oder das Nest wird mit verschiedenen Blumenblüten ausgeschmückt.

Warum bringt gerade der Osterhase die Ostergeschenke und legt diese in ein dafür vorgesehenes Osternest?
Die Osterzeit fällt in die nach dem Winter erste Paarungszeit des wild lebenden Hasen.
Der Hase ist ein Symbol für die Fruchtbarkeit und das Ei das Symbol für erwachendes Leben. In diesem Zusammenhang gesehen fällt es nicht schwer, die Behauptung aufzustellen, dass der Hase (Osterhase) die Ostereier als Geschenk in die Osternester legt. Die entsprechenden Geschichten wurden den Kindern in dieser Form nahe gebracht. Diese ließen sich aber nicht lange an der Nase herumführen, wie überlieferte Sprechreime verdeutlichen:

"Ich waas, wass ich waas,
es Hinkel is de Has.
Die Modder färbt die Ajer,
die Dochter läigt se ins Gras.
Des is alles wass ich waas.!"

oder

"Ich waas wass ich waas,
es Hinkel is de Has,
die Modder is de Färwemann
läigt die Ajer in die Pann

un vun de Pann ins Gras.

Des is alles wass ich waas !"

oder

"Die Mutter färbt die Eier.
Der Vater legt sie ins Gras,
dann meinen die dummen Kinder,
das wär der Osterhas!"

Waren die Ostereier erst einmal in den Nestern versteckt und von den Kindern aufgefunden worden, wurden die Ostereier nicht einfach verspeist sondern es kam zu so genannten Eierspielen.

Hierzu gehörten z. B.

Das Eierwerfen - möglichst weit oder hoch werfen.

Das Eirollen - das Ei wird einen Abhang hinunter gerollt.

Das Eidotzen - 2 Spieler treten mit je einem Ei gegeneinander an.
DieSpitzen oder der stumpfe Teil wird gegeneinander gestoßen. Sieger ist, dessen Ei heil geblieben ist.

Das Eierlaufen - Teilnehmer laufen mit einem Ei, das in einem Löffel oder ähnlichen Gegenstand getragen wird um die Wette.

Alle Eierspiele haben aber eines gemeinsam: Gehen die Eier bei den Spielen zu Bruch, werden sie an Ort und Stelle verzehrt.


Eine weitere Besonderheit in der Osterzeit soll hier nicht unerwähnt bleiben:
Die Ernährung.
In der Karwoche, d. h. die Woche vor Ostern, wird in der Regel kein Fleisch zur Mahlzeit gereicht. Hauptsächlich am Gründonnerstag, so die Überlieferung, wird ein allgemein bekanntes Kräutergericht serviert die grüne Soße:

Rezept

Zutaten:
50 gr. Gemsichte Kräuter (Petersilie, Kerbel, Kresse, Schnittlauch, Pimpinelle, Zitronenmelise, Borretsch, Sauerampfer, Dill, 3 Eier, 1 TL Senf, 2 EL Zirtonensaft, 1/8 l Öl, 2 EL Magerjoghurt, Salz u. weißer Pfeffer.
Eier hart kochen, abschrecken, schälen und das Eigelb herauslösen. Eigelb mit Senf und Zitronensaft glatt rühren. Zunächst tropfenweise Öl, später in dünnem Strahl unter ständigem Rühren mit dem Schneebesen hinzu geben, bis die Mischung sich zu einer dicken Mayonnaise verbunden hat. Die Mayonnaise mit klein gehacktem Eiweiß und klein gehackten Kräutern vermischen und den Joghurt dazu geben. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Die "Grüne Soße" wird mit Pellkartoffeln gereicht.


Quellen:
Anke Fischer - Feste und Bräuche in Deutschland
Rochus Gehron - Sitten und Bräuche im Odenwald
Helmut Seehbach - Odenwälder Brauchtum
Heinrich Sennert - Sou warsch ba uns dehoam
Dr. Heinrich Winter - Volk und Scholle
-
Oster- u. Frühjahrsbrauch im Odenwald und Bergstraße
-
Hessische Bräuche
Johanna Woll - Feste und Bräuche im Jahreslauf
Broschüre des Heimatmuseums Rodenstein
Manfred Kassimir - Bilder und Text

 


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