Die Fastnacht im Odenwald
Fastnacht-Fasching-Karneval

von Manfred Kassimir

Die Herkunft des Wortes "Fastnacht" ist in seiner Erforschung umstritten.
Ist die Abstammung möglicherweise aus dem Wort "faseln" heraus entstanden, was gleichbedeutend ist mit "Unsinn treiben", "Dummes Zeug reden" oder findet das Wort "Fastnacht" seinen Ursprung aus der kirchlichen Fastenzeit, die bekanntermaßen an Aschermittwoch beginnt und mit dem Ablauf des 40. Tages sein Ende nimmt?
Ein anderer Begriff für die "Fastnacht" ist das Wort "Karneval". Dieser Ausdruck leitet sich von dem italienischen Begriff "Carne vale" ab, was gleich-bedeutend mit "Fleisch lebe wohl" ist. Dieses deutet wiederum eindeutig auf die nun folgende 40-tägige Fastenzeit (fleischlos) hin.

Der heidnische Brauch des Fastnachtrituals steht für "den Winter austreiben". Das Tote, der Winter, wird vertrieben und das neue Leben beginnt zu sprießen. Die vermummten Gestalten, die hier auftreten, sind auch im weiteren Brauchtum um den Mitwinter wieder zu finden.
Wenn in der heutigen Zeit Fastnacht gefeiert wird, wird von der "5. Jahreszeit" gesprochen. Fastnachts- oder Faschingsbeginn ist der 11. 11. jeden Jahres und endet mit dem Fastnachtsdienstag des darauf folgenden Jahres.
In dieser Zeit werden mehr oder weniger Fastnachtsveranstaltungen in unterschiedlichen Formen dar-und angeboten.
Auch eine Kultmelodie, die aus dem heutigen Fastnachtstreiben nicht mehr wegzudenken ist, muss hierbei seine Erwähnung finden. Wer kennt nicht die Melodie

"Ritz am Boa"
oder den
"Narrhallamarsch".

Diese Melodie wird bei jeder Fastnachtssitzung zum Ein- und Auszug der Fastnachtsakteure gespielt.
Der Ursprung dieses Liedes war eigentlich eine Operninszenierung des Franzosen Adolpho Adam zu dessen Oper "Der Brauer von Preston". Der Komponist Zehner griff die Melodie auf und schrieb diese in einen Marschrhythmus um. In der Fastnachtskampagne 1843/44 wurde dieser Marsch erstmals in der Narrenhalle des MCV Frankfurt aufgeführt und erhielt hier seinen Zusatznamen "Narrhallamarsch".
Die Herkunft des Liedtextes "Ritz am Boa" ist nicht mehr näher belegbar.

Die Hauptfastnachtzeit im Odenwald war auf den Fastnachtsdienstag beschränkt. Es war ein Tag voller Arbeit, der vor Sonnenaufgang begonnen wurde. Die Arbeit war an diesem Tag bestimmten Riten unterworfen, um keinen Unglückfall über Haus und Familie zu bringen.

Alle Rituale bekamen hinsichtlich des Brauchtums einen besonderen Sinn:


- So wurde der Viehstall ausgiebig ausgemistet und mit Holzasche kreuzweise ausgestreut.
- Erbsen, Bohnen und Kartoffeln wurden verlesen.
- Dürrobst, Nüsse und Sämereien wurden gerührt.
- Arbeiten auf dem Feld durften nicht verrichtet werden.
- Die Hausfrau durfte an Fastnachtsdienstag weder die Wäsche waschen noch durfte sie spinnen.
- Die Waldarbeiter blieben an Fastnachtsdienstag zu Hause. Die Arbeitsgeräte wurden kreuzweise übereinander gelegt und im Wald abgelegt.
- Die Hausfrau legte frühmorgens eine Wagenkette kreisförmig im Hof aus. Hühnerfutter wurde in dem Kreis eingestreut. Blieben die Hühner beim Fressen innerhalb dieses Kreises, legten sie das Jahr über ihre Eier nicht in fremde Nester und wurden auch nicht vom Fuchs geholt. Hühner, die außerhalb des Kreises ihr Futter verzehrten, wurden geschlachtet oder verkauft.


Diese oben beschriebenen Rituale hatten zum Teil den Zweck, die tödliche Winterlethargie zu ver-treiben und in neues beginnendes Leben umzu-wandeln. Andere Rituale dienten dazu, Unglück von Haus, Hof und Familie abzuwehren.

Im Odenwald mussten alle Arbeiten vor Einbruch der Dunkelheit abgeschlossen sein. Zum Abend-essen wurde eine an Fastnacht als typisch zu bezeichnete Hauptspeise verzehrt. Diese bestand aus:

 

Blutwurst mit Dürrobst gekocht und dazu reichte man Kräppeln. Sinnbildlich gesehen war die Blutwurst stellvertretend für das Fleisch, das Dürrobst für die heimischen Früchte und die Kräppel für alle Körnerfrüchte des Feldes anzusehen. Somit waren alle Grundnahrungsmittel des Odenwälders in der zubereiteten Speise vereint.

 

Ein Rest der Speise wurde über Nacht an ein offenes Fenster gestellt um den verstorbenen Familienangehörigen im Jenseits zu gedenken.
Die Kräppel wurden im Odenwald zur Fastnachtszeit in sehr großen Mengen gebacken und vorrätig gehalten und das aus triftigem Grund: Die Dorfjugend eines jeden Dorfes zog von Haus zu Haus und bot so genannte "Heischesprüche" dar, z. B.:

 

"Kräppel raus,
Kräppel raus,
sonst schieß ich aich
e Loch ins Haus"

oder

"Is e guri Fraa im Haus,
doud se emol die Kräbbel raus"

oder

"Fastnacht, die Pann kracht!
Kräbbel sin gebacke,
ich häb se höre krache.
Is e guri Fraa im Haus
Gitt se mer en Kräbbel raus!
Woann se mer koan gitt,
schloag isch uff de Disch,
dass alles z'amme bricht!"

In den Familien wurden soviel Kräppel gebacken, dass sogar die eigenen Kinder mit "Heischesprüchen" hausieren gingen:

Fastnacht, Fastnacht, ai du liewe Zeit!
Die Modder backt Kräbbel,

mer moant, sie wär net g'scheit!

Bei diesen Umzügen der Kinder und Jugendlichen, die immer größer wurden, durften auch Maskierungen nicht fehlen. Typische Verkleidungen waren die so genannten

· Fasselbouze

· Uraltweibchen oder Hexe - mit Flickkleidern und Rute

· Pärchen - meist mit Trachtenteilen. Sie führten einen Kinderwagen mit, der mit einer quer liegenden Person belegt war.

· Erbsenbär oder Strohbär - wird von einem Treiber an der Kette geführt und vollführt schwerfällige Tanzbewegungen. Später wurde der Erbsenbär durch einen Fellbär ersetzt.

· Der Storch, mit nickendem Kopf und weit aufklappbarem Schnabel.

· Lumpenweib, bekleidet mit Stofffetzen

· Schimmelreiter

· Und die Teufelsgeige darf in diesem Umzug nicht fehlen.

 

Die zuvor beschriebenen Gestalten sind auch im weiteren Verlauf des Odenwälder Brauchtumsjahres anzutreffen. Alle Gestalten gebärden sich im Umzug recht närrisch, heischend und lärmend um die Natur aus dem Winterschlaf zu erwecken.
Je schrecklicher die Gestalten aussahen, umso besser konnten die bösen Geister und Dämonen vertrieben werden.
Vor allem die Mädchen versuchten in diesen Umzügen mit hüpfenden Bewegungen recht hoch zu springen, denn je höher die Mädchen sprangen, umso höher wuchs der Flachs.
Die beschriebenen Gestalten waren aber nicht nur im Odenwald zu finden, sondern sind im gesamten mitteleuropäischen Raum, wenn auch teilweise in abgewandelter Form, wieder zu finden.

Ein weiterer typischer Odenwälder Fastnachtsbrauch war das Fastnachtsfeuer.

Tage vor der eigentlichen Fastnacht zogen die Kinder und Jugendlichen los um Holz für das Fastnachtsfeuer einzusammeln. Es wurde zu einem weithin sichtbaren Sammelplatz gebracht, meist eine Anhöhe, und dort in einer besonderen Form aufgeschichtet. Auch Reisig und Stroh waren nötig um später das Fastnachtsfeuer wirkungsvoll entzünden zu können. Einige weiter verbreitete Formen des Fastnachtsfeuers seien hier näher beschrieben:

· Zwei lange Stangen mit Strohseilen umwickelt, wurden im Abstand fest in den Boden gerammt. Beide wurden durch eine lange Querstange miteinander verbunden. Weitere Stangen wurden schräg gg. die Querstange gelegt, so dass die Gesamtform einem Dach ähnlich wurde. Anschließend wurden Reisig und Stroh an den Schrägstangen aufgeschichtet, bis led. die oberen Enden der senkrechten Stangen aus dem Haufen heraus ragten. Auf den beiden Stangen wurden Strohpuppen aufgesteckt.

· Eine weitere Form des Fastnachtsfeuers wurde kegelförmig angelegt. Auf der Spitze des Kegels wurde ebenfalls eine Strohpuppe aufgesetzt oder wahlweise am Mittelstamm, meist aus einer Fichte, der obere Kranz stehen lassen, oder ein Fastnachtskranz, mit bunten Bändern geschmückt, aufgesetzt.

Bei Anbruch der Dunkelheit war es dann soweit. Die Dorfbevölkerung zog mit brennenden Fackeln auf die Anhöhe um das Fastnachtsfeuer zu entzünden. Der Aberglaube besagt, dass alle Felder, die vom Fastnachtsfeuer beleuchtet werden, das Jahr über gute Früchte tragen werden.

Weitere Formen des Fastnachtsfeuers seien hier nur erwähnt: Die Rostform und die Form des Sechseckes.

Mittels der mitgeführten Fackeln wurden die aufgeschichteten Fastnachtsfeuerstöße entzündet. War der Höhepunkt des Fastnachtsfeuers erreicht, wurden die selbstgefertigten Fackeln, so genannte "Schailpriggel" an dem Feuerstoß entzündet. Bei diesen "Schailpriggel" handelte es sich um Eichenknüppel, deren vordere Hälfte zunächst mit einem Beil aufgespaltet und später mit der Rückseite des Beiles oder einem schweren Hammer so bearbeitet wurden, dass der Knüppel bis auf einen kleinen Griff auffaserte. Die Hohlräume wurden mit Kienspan, oder in jüngerer Zeit mit, Pech gefüllt.

Die Fackeln wurden in immer schneller werdenden Bewegungen im Kreis geschwungen bis es den Anschein von Feuerrädern erweckte. Waren die Fackeln abgebrannt, wurden die Reste dem Fastnachtsfeuer übergeben.

Ein anderer Fastnachtsbrauch war das Feuerrad. Dieses wurde aus einem alten ausgedienten Holzrad, durch dessen Mittelnabe eine Stange getrieben wurde, hergestellt. Das Rad wurde mit Stroh umwickelt und angezündet. Junge Burschen führten das brennende Rad an der Querstange ins Tal hinab, wo sie das letzte Teilstück des Weges das brennende Rad sich selbst überließen. Das Rad konnte durch ein ausgedienten Bienenkorb oder einem Weidekorb ersetzt werden.

Dieser Brauch bedeutete Segen, Glück und Fruchtbarkeit für Hof, Feld, Flur und Familie

In der Fastnachtszeit hält der Narr dem Menschen einen Spiegel vor und zeigt diesem deutlich auf, wie der Mensch im normalen Leben nicht sein darf, nämlich tobend, lärmend, lasterhafte Reden führend und übermäßig essen und trinken.
Heute bleiben die ursprünglichen Bräuche weit hinter den neuzeitlichen Verhaltensmustern zurück, obwohl ab und zu noch Ansätze des Alten zu erkennen sind. Kappen- und Maskenabende haben die alten Bräuche abgelöst.

Fastnacht früher wie heute war und ist ein gesell-schaftliches Ereignis, das immer in der Gemein-schaft gefeiert wurde/wird. Und doch haben alter und neuer Brauch eines gemeinsam:

Am Aschermittwoch ist alles vorbei!

 

Quellen:
Friedrich Mössinger

Karl-Heinz Mittenhuber

Rochus Gehron
Georg Volk
Johanna Woll
Heinrich Winter

Heinrich Sehnert
Manfred Kassimir


- Was uns der Odenwald erzählt Band III
- Volk und Scholle 1940
- Altes Brauchtum im Odenwald, Bergstraße und Ried
(n.- Relief v. Adam Winter)
- Sitten und Bräuche im Odenwald
- Der Odenwald und seine Randgebiete
- Feste und Bräuche im Jahreslauf
- der Odenwald-Jahresbrauch
- Volk und Scholle 1934
- Sou woarsch ba uns dehoam
-Text und Bilder


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