Streich/Zündhölzer aus dem Odenwald


(von Manfred Kassimir)   

 

Feuer oder offen Flamme sind Dinge, über die sich der Mensch in der heutigen Zeit keine Gedanken mehr macht. Mittels Streichhölzer, Feuerzeuge oder anderer Zündmechanismen ist es für jedermann möglich, ein Feuer zu entfachen um z. B. eine Wärme- oder Lichtquelle herzustellen.

Diese Selbstverständlichkeit war aber nicht immer so.

Die Kultur der Menschheit begann damit, dass das Individuum Mensch das Feuer unter Kontrolle brachte – es quasi zähmte.

Ursprünglich entstand das Feuer durch Blitzeinschlag, Vulkanausbruch oder durch Selbstentzündung. Erst nachdem der Mensch gelernt hatte, das Feuer unter Kontrolle zu halten und dieses sorgsam zu hüten und vor dem Verlöschen zu hindern, wurde dies zum Nutzen der Menschheit.

  

Der Beginn der Feuerbeherrschung durch den Mensch (Bilder: Museum Ober-Ramstadt)

 

So unterscheidet sich der Mensch vom Tier. Brachte es dem Menschen Nutzen (Wärme und Licht), so konnte es aber auch verheerend wirken, wenn es außer Kontrolle geriet.

Die Fortentwicklung zur Erzeugung von Feuer war die Erkenntnis, dass das Aneinanderreiben von verschieden harten Hölzern Wärme bis hin zum Entzünden erbrachte.

Außer dem Nutzen, Wärme und Licht zu erzeugen, hatte das Feuer weitere Eigenschaften:

- Durch Wärme konnten verschiedene Stoffe (Ton, Erz) gehärtet werden.

- Es vernichtete Krankheitserreger.

- Durch die Wärme wurden Nahrungsmittel genießbarer.

Auch in der Mythologie spielte das Feuer eine große Rolle. Man denke an das Entzünden des olympischen Feuers mittels Sonneneinstrahlung und Hohlspiegel, welche den Weltfrieden der uns bekannten antiken Welt für den Zeitraum der Spiele bedeutete. Die olympische Flamme, Wiedergeburt der Olympischen Spiele in der Neuzeit (seit 1863 durch den Franzosen Pierre de Laupertin) wird die Flamme über alle Kontinente der Erde weitergereicht, bis sie an ihrem Bestimmungsort das Olympische Feuer entzündet.  

Olympische Flamme Bild Vivekchuh torch-1357636 (lizenzfrei)

 

Eisen, Feuerstein und Zunder waren die weitere Entwicklung hin zur Zivilisation. Auch der in den Ötztaler Alpen aufgefundene Steinzeitmensch „Ötzi“ führte Utensilien zum Feuermachen und Aufbewahren von Feuer mit sich.

Das Hüten und Nutzen des Feuers blieb über Jahrhunderte gleich. Selbst zu Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Erfindung der Dampfmaschine ihren Anfang nahm, war man auf die herkömmliche Feuerentfachung angewiesen.

Erst die Entwicklung eines Zündholzes, das Jedermann zum Entflammen eines Feuers nutzen konnte, revolutionierte die Art des Feuermachens bis in die heutige Zeit.

Heute stehen Streich/ Zündhölzer, Gas- und Benzinfeuerzeuge als auch Feuerzeuge mit elektronischer Zündung für den Menschen bereit, und niemand macht sich über die Entstehung einer Flamme Gedanken, weil dies in den alltäglichen Gebrauch übergegangen ist.

Heutiges, gebräuchliches Feuerzeug

 

Nachweislich wurde bereits um 950 im alten China Hölzer zum Entzünden von Feuer genutzt. Diese Erfindung fand aber nicht den Weg in die „Alte Welt“, wie Europa landläufig genannt wird.

Waren bis Anfang des 19. Jahrhunderts noch Schlageisen, Feuerstein (Flint genannt) und Zunder nötig um das Ziel von Feuer zu erreichen, wurden erste Experimente bekannt, die zur Entwicklung des Streich/ Zündholzes führten.

Das sogenannte „Tunkfeuerzeug“ wurde entwickelt. Das Prinzip war einfach: ein Holzstab wurde mit Kaliumchlorat, Schwefel, Zucker und Gummiarabicum überzogen. Wurde der Holzstab in einen mitgeführten Behälter, der Schwefelsäure enthielt, getaucht, entzündete sich das Holz. Das Tunkfeuerzeug war erfunden und damit verschwand Stahl, Feuerstein und Zunder mit Zündöl aus dem Gebrauch.

Auf die Erfindung des „Döbereiner`sche Feuerzeuges“ und des Thüringer Feuerzeuges“ wird hier nicht näher darauf eingegangen. Diese Erfindungen konnten sich in der Folgezeit nicht durchsetzen. 

Eine weitere Erfindung war ein Holzstäbchen an dessen einem Ende Schwefelsäure, Kaliumchlorat, Stärke und Gummiarabicum aufgebracht war. Durch Reibung zwischen Glaspapier entflammte das Holz.

Erst  ab 1832 kam es zum Einsatz von weißem Phosphor, das durch Reiben an einer beliebigen Stelle das Holz entflammen ließ (Überallzündholz). Diese Streichhölzer mussten luftdicht verpackt werden, um eine Selbstentzündung zu verhindern.

Der weiße Phosphor hatte zwei erhebliche Nachteile:

1 – bereits eine geringe Reibung führte oft zur Selbstentzündung.

2 – weißes Phosphor ist gesundheitsschädlich und führte bei der Herstellung in Heimarbeit von Zündhölzern oft zu der Knochenkrankheit Phosphornekrose.

Erst die Entdeckung des roten Phosphor machte das Streichholz ungefährlich.

Roter Phosphor ist im Gegensatz zu weißem Phosphor nicht gesundheitsschädlich und lässt sich mit seiner Reibfläche direkt auf die Streichholzschachtel aufbringen. So wird die Reibfläche vom Streichholz getrennt und ist trotzdem in einem Behältnis vereint.

 

Die Streichholzherstellung im Odenwald

Die Anfänge der Zündholzherstellung begannen mit der Verbreitung der Heimarbeit. Die Zündhölzer wurden bis zum Verkaufsstatus innerhalb der Familie gefertigt. Alle Familienmitglieder hatten eine bestimmte Aufgabe im Produktionsablauf zu erfüllen. Zur Herstellung waren wenige, unkomplizierte Arbeitsgänge, nötig.

Eintauchen der Holzstäbchen Bild: Zündholzmuseum Grafenwiesen

 

 

Die Arbeit fand überwiegend im Wohnzimmer der Familie statt, welches üblicherweise auch als Schlafzimmer diente.

Im Odenwald siedelten sich kleine Firmen an, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Streichhölzern widmeten. Als Nebenerwerb fanden sich viele Familien bereit, der Streichholzindustrie zuzuarbeiten und ihren sonst kärglichen Verdienst aufzubessern.

fertige Streichhölzer

 

Ein weiterer Nebenerwerbszweig entstand in der Spanschachtelherstellung. Die Spanschachteln waren für die Aufbewahrung und den Verkauf der Streichhölzer notwendig.

Das Zündholz wurde aus heimischen Holzarten, meist Pappel- oder Aspenholz gefertigt.

Zunächst wurde ein rechteckiger Holzklotz benötigt. Von diesem wurden Streifen abgehobelt und anschließend in quadratische Streifen geschnitten. Später wurden Röhrenhobel eingesetzt, der die Späne in entsprechende Seitenlänge vom Holzklotz abhobelte.

Röhrenhobel mit Holzdraht

 

Der sogenannte Holzdraht wurde auf eine Normlänge von 43 mm gestutzt und getrocknet. Nach der Trocknung wurden diese in Büschel zusammengefasst und in Schwefel eingetaucht. Diese Büschel wurden entweder fassweise an die Streichholzfirmen weiterverkauft oder in Heimarbeit weiter verarbeitet. Die anfallenden Spanabfälle wurden zur Herstellung von Zündholzschachteln genutzt.

Streichholzstäbchen fertig zum Eintauchen Bild: Streichholzmuseum Grafenwiesen

 

 Bei der weiteren Verarbeitung der Hölzer in Heimarbeit wurden diese gebündelt und an einem Ende zusammengebunden, so dass der gegenüberliegende Teil auseinander gefächert wurde. Der gespreizte Teil wurde in Schwefel, später in Paraffin, eingetaucht. Anschließend erfolgte ein Tauchgang in weißem Phosphor. Nach der Trocknung wurden die Hölzer in die vorgefertigten Spanschachteln verpackt.

Das Aus für die Heimarbeit kam mit dem 1903 erlassenen Verbot der Nutzung von weißem Phosphor durch den Großherzog des Großherzogtums Hessen. Die gesundheitlichen Auswirkungen durch den weißen Phosphor waren so groß, dass ein Verbot unumgänglich war.

Lediglich der rote Phosphor, der in der Verarbeitung wesentlich ungefährlicher war, durfte für die Herstellung von Zündholzware Verwendung finden.

Herstellung und Verarbeitung von rotem Phosphor war in Heimarbeit nicht möglich, sodass eine große Nebenerwerbsquelle im Odenwald wegbrach. 

Verschiedene Firmen übernahmen in großem Stil die Produktion von Zündhölzern.

In den Firmen wurden überwiegend Frauen und Kinder – unter Berücksichtigung der Schulpflicht – beschäftigt.

Mit der industriellen Herstellung von Zündhölzern wurden die Arbeitsgänge automatisiert. Die Hölzer wurden maschinell gehobelt und zu Furnieren geschält. Die Furniere wurden in Streifen geschnitten und auf Normlänge gestutzt.

  

geschnittenes Furnier          fertig geschnittener Holzdraht

Bild: Zündholzmuseum Grafenwiesen

 

Der sogenannte Holzdraht wurde getrocknet und das Streichholz mit zwei verschiedenen Komponenten versehen. Der Streichholzkopf wurde durch Kaliumchlorit gebildet. Die Reibfläche wurde mit rotem Phosphat und Glasmehl versehen und auf die Außenseite der Verpackung aufgebracht. Diese Art der Herstellung gibt die Sicherheit, dass sich das Streichholz nur über die spezielle Reibefläche entzündet.

Auf einer Walze aufgesteckter Holzdraht

Bild: Streichholzmuseum Grafenwiesen

 

 

Beim Anreiben des Streichholzes steigt die Flammentemperatur kurzfristig auf bis zu 1350 Grad Celsius. Beim Erlöschen der Flamme bleibt eine typische Kruste zurück.

Die Herstellung von Zündhölzern ist bis heute ein gängiges Verfahren geblieben. 

Die Herstellung von Zündhölzern war und ist ein komplexes Verfahren. Durch die Zündholzhersteller wurden große Hallen errichtet, die in einzelne Abteilungen untergliedert wurden:

- Abteilung 1 wurde kochendes Phosphor verarbeitet

- Abteilung 2 wurden die Streichhölzer in Schwefel, später Paraffin, getaucht, auf einem Lattenrost ausgerichtet,     

        getrocknet und anschließend in Phosphor getunkt.

- Abteilung 3 war der Trockenraum der gefertigten Zündhölzer

- Abteilung 4 wurden die fertigen Streichhölzer verpackt.

Fertigungshalle einer Zündwarenfabrik

Bild: Stadtarchiv Michelstadt 

 

 

Die geforderten Eigenschaften eines Zündholzes. 

Die Eigenschaften, die ein Zündholz besitzen muss, sind sehr hoch. Dieses muss zuverlässig zünden, die Flamme darf aber eine bestimmte Größe nicht überschreiten und muss kontrollierbar bleiben.

Im Odenwald existierten mehrere Zündholzherstellerfirmen. Eine Firma, die stellvertretend für die Zündholzherstellung genannt werden soll, ist die Firma Rexroth/Lynen in Michelstadt

Die Firma Rexroth/Lynen fand bereits 1821 als holzverarbeitende Fabrik in Michelstadt Erwähnung. Der erste Produktionsstandort war die Ecke d`Orvillestraße/Pestalozzistraße, die heute einer Freikirche Raum bietet. Ab 1904 meldete die Firma ein Patent zur Herstellung von Streich/Zündhölzern an. Fast gleichzeitig wechselte die Firma ihren Standort 1906 in den Roßbacher Weg, wo sie die frühere Walkmühle übernahm. Ab 1929 wurden durch die Fa. Rexroth/Lynen nur noch Sicherheitszündhölzer hergestellt. 

Im Jahr 1937 fiel die Produktionsstätte im Roßbacher Weg einem Großbrand zum Opfer. Nach dem Wiederaufbau 1938 produzierte die Firma Rexroth/Lynen bis 1975 weiterhin Streichhölzer. Der Betrieb wurde 1975 endgültig aufgegeben.

Ein Straßenname „Relystraße“ erinnert noch heute an die Firma (RE)xroth/(LY)nen.

abgebrannte Zündwarenfabrik Rexroth/Lynen

Bild: Stadtarchiv Michelstadt

 

Wie ging es weiter mit der Zündholzherstellung?

Nach dem 1. Weltkrieg waren wie Bargeldreserven in Deutschland (Weimarer Republik) sehr gering. Die deutsche Reichsregierung erhielt von dem schwedischen Zündholzhersteller Krenger ein Darlehen i. H. v. 500 Millionen Reichsmark. Im Gegenzug überließ die Regierung dem Zündwarenhersteller das Zündholzmonopol über 50 Jahre. Die produzierten Streichhölzer wurden unter den Namen „Welthölzer“ und „Haushaltsware“ auf den deutschen Markt gebracht. Die Normgröße wurde  mit 2,1 mm x 4,4 mm festgelegt.

Monopolware "Streichholz"

 

Nach Ende des 2. Weltkrieges erkannte die Bundesrepublik Deutschland die noch bestehenden Ansprüche der schwedischen Firma an.

Mit dem 15. Januar 1983 ist der Anspruch auf das deutsche Zündholzmonopol der schwedischen Firma mit der Zahlung der letzten Darlehnsrate abgegolten und die freie Marktwirtschaft hat in den Wirtschaftskreislauf Einzug gehalten.

 

 

Quellen

 Ralf Arnold

 Festschrift 100 Jahre Gebrüder Weigel 2009

 Heinz Bortmuth

 Streichholzherstellung im Odenwald-Geschichtsbl. 21 Krs. Bergstr.

 Peter Brors

 Zündholzmonopol

 Manfred Göbel

 Zunder un Späih-OWK Gr.-Zimmern

Dr. Hans Hartig

Unterhaltsames über Zündholz- Waren – VEB-Verlag Leipzig 1986

Dr. Fritz Huhle

Die Zündholzindustrie in West-Deutschland

Otto Weber

Die Geschichte der Zündholzproduktion in Krs. HP

K.-H. Schanz

Das Pinkfeuerzeug des kleinen Mannes – Funke und Feuer

Die Heimindustrie von Span-

Schachteln, Holzdraht z. B. im Odenwald – Feuer u. Flamme

Wikipedia

Zündholzherstellung

Die Geschichte der Streichhölzer

Manfred Kassimir

Text und Bilder

 

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