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Heilig-Kreuz-Kapelle

und

Killianfloß


(von Manfred Kassimir)

 
Dort, wo die grüne Wiese
dem stillen Walde weicht,
der Baum im Sommerkleide
sein Haupt im Wind verneigt;
weiß ich ein Plätzchen stille,
kein Lärmen und kein Streit,
in dieser Waldidylle
wird mir das Herze weit!
Im Geist ist mir`s erschienen,
aus festem Stein gebaut,
Gott loben und zu dienen,
nur ihm hat man vertraut.
Wo fromme Bergleut litten
einst unter schwerem Joch,
konnt man um Segen bitten,
am End blieb Hoffnung doch!
Im Glanz der Abendsonne
erscheint mir`s fassungslos,
voll Erfurcht und voll Wonne
das Tal beim Kiliansfloß;
und dicht beim Waldessaume,
ein Strahlen silberhell,
beim alten Eichenbaume
die Heilig-Kreuz-Kapell!
Und immer seh ich`s funkeln
im abendlichen Schein,
wenn auch die Augen dunkeln,
bleibt mir ein Traum aus Stein.
Wenn auch die Mauern fielen,
bleibt doch das Fundament
der Heilig-Kreuz-Kapelle,
auf ewig mir am End!
 

(von Johann Heim)

                                     

 

             

 

Eine Besonderheit im Odenwald ist die „Heilig-Kreuz-Kapelle“  in Michelstadt mit dem nahegelegenen „Kilianfloß“.

Begibt sich  der Wanderer auf die Wanderung von Michelstadt in Richtung Habermannskreuz, so führt dieser Weg zunächst durch den Michelstädter Stadtwald und vorbei an der langestreckten Kapellenwiese. Am Rande der Kapellenwiese finden sich, versteckt zwischen Bäumen, die Grundmauern der „Heilig-Kreuz-Kapelle“.

Der Name „Heilig-Kreuz-Kapelle“ wird mit dem Bergbau im frühen Mittelalter in Zusammenhang gebracht. Eine Legende besagte, dass die Mutter des römischen Kaisers Konstantin, Helena, das „Kreuz Christi“ im Erdreich gelegen, auffand. Dass das Kreuz aus der Erde ausgegraben wurde, sehen die Bergleute im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit unter Tage. So wurden viele Gruben auf den Namen „Heilig-Kreuz“ getauft. Die einfahrenden Bergleute hielten vor ihrer Grubeneinfahrt ein Gebetsgottesdienst in einer nahe der Grube gelegenen Kapelle ab. Nahe der Kapellenwiese wurden Abraumhalten festgestellt, die auf eine bergmännische Tätigkeit im frühen Mittelalter schließen lassen, so dass eine Kapelle an dem beschriebenen Ort ihre Berechtigung hat.

 

   

 

Am Rande der Kapellenwiese plätschert leise ein kleiner Bach talwärts, bis er ca. 500 Meter weiter in einem Erdtrichter (Doline) versickert. Dieser Bachlauf, Kiliansfloß genannt, findet seinen Namensgeber in Kilian, dem Bischof von Würzburg. Dieser, ein iroschottischer Mönch, geboren um 640 in Irland und den Märtyrertod findend im Jahr 689, wird auch als Apostel der Franken bezeichnet. Er christianisierte erfolgreich die Menschen im Odenwald. Der Legende nach taufte der „Heilige Kilian“ die ersten Odenwälder Christen an der Quelle des Kilianfloßes und soll dort eine erste „Taufkapelle“ aus Holz errichtet haben. Der Nachweis für diese mündliche Überlieferung konnte bisher nicht erbracht werden. Die in einer Brunnenkammer gefasste Quelle wird heute noch als Kilianquelle bezeichnet.

Philipp Buxbaum, von Beruf Regierungsvermessungsrat und Heimatkundler, nahm die mündliche Überlieferung 1938 zum Anlass, Nachforschungen anzustellen. Bei seinen ersten Untersuchungen in der Kapellenwiese kam ihm der Zufall zu Hilfe. Während einer Sondierung der vermutenden Lage der Kapelle stieß er auf einen Maulwurfhügel, der Mörtelreste mit zu Tage gefördert hatte. Bei Grabungen in diesem Bereich stieß er auf die Fundamente der „Heilig-Kreuz-Kapelle“. Die Ausgrabungen ließen einen Grundriss der Kapelle von 12,60 x 6,00 Meter  erkennen. Die Ausrichtung der Kapelle war auf eine Ost-West Richtung ausgelegt. Der Kapelle war ein Kirchhof angeschlossen, der offensichtlich als Pestfriedhof genutzt wurde. So konnten keine Überreste von Holzsärgen, dafür aber umso mehr Kalk bei den Grabungen festgestellt werden. Bei weiteren Ausgrabungen wurden buntfarbige Dachziegeln aus den Jahren 1360 – 1390 und Innenputzfragmente mit farbigen Ornamenten gefunden, die den Schluss zulassen, dass die Kapelle außen wie innen farblich reich geschmückt war. Ferner kamen bei der durchgeführten Grabung Münzen zum Vorschein, die eine Prägung des Erzbischofs und Kurfürsten Dietrich von Mainz (1413 – 1459) aufweisen.

 

 

Weitere Erkenntnisse zur tatsächlichen Existenz der Kapelle erhielt Philipp Buxbaum durch eine Notiz im Staatsarchiv Darmstadt unter der Rubrik „ev. Kirche Michelstadt“, der zu entnehmen ist, dass 1502 ein Kreuz errichtet und im Jahr 1535 auf den Michelstädter Friedhof umgesetzt wurde. Tatsächlich existiert noch heute eine alte Kapelle auf dem Michelstädter Friedhof mit den gleichen Grundrissmaßen wie die „Heilig-Kreuz-Kapelle“ in der Kapellenwiese.

Die Grundmauern der „Heilig-Kreuz-Kapelle“ befanden sich in unmittelbarer Nähe der Quelle  des Kilianfloßes, der Michelstädter Brunnenkammer. In der Vergangenheit war der Quellfluss bei Starkregen so groß, dass weite Teile des umliegenden Geländes überschwemmt wurden. Dies dürfte der Grund dafür gewesen sein, warum die „Heilig-Kreuz-Kapelle 1535 aufgegeben und auf den heutigen Friedhof umgesetzt wurde. Laut Vertrag zwischen der Stadt Michelstadt und der ev. Kirchengemeinde ging die Michelstädter Friedhofkapelle am 12.09.1906 in das Eigentum der evangelischen Kirchengemeinde über.

Im Zuge seiner Nachforschungen und Grabungen stieß Philipp Buxbaum auf die in einer Brunnenkammer gefasste Kilianquelle. In der Vergangenheit war es üblich, dass die Brunnenkammern mit einem Schmuckstein ausgeschmückt wurden. In der Regel fand sich auf dem Schmuckstein außer eingemeißelten Ornamenten auch die Jahreszahl der Einfassung wieder. So ist auch an der Brunnenkammer des Kilianfloßes die Jahreszahl 1577 und das Michelstädter Stadtwappen zu erkennen.  Spätere Einmeißelungen mit den Jahreszahlen 1622, 1734 und 1906 zeugen davon, dass in diesen Jahren Renovierungsarbeiten vorgenommen wurden.

 

 

                                      

 

Die Kilianquelle und das Kilianfloß versorgten bis ins 16. Jahrhundert die Einwohner Michelstadts mit frischem Wasser.

Von der Brunnenkammer verläuft das Kilianfloß ca. 500 Meter oberirdisch, bis das sprudelende Nass in einem Erdtrichter, einer sogenannten Doline, verschwindet. Nach weiterem, ca. 1000 Meter unterirdischem Verlauf, tritt das Wasser am Michelstädter Kirchenhügel wieder zu Tage und speist den Bachlauf des  heutigen Stadtgartens und weitere Laufbrunnen in der Innenstadt.

Das Phänomen des unteririschen Verlaufs des Kilianfloßes kommt aufgrund der Bodenbeschaffenheit zustande. Der Untergrund besteht aus Muschelkalk. Dieser ist sehr porös und zerklüftet, so dass ein Wasserfluss ungehindert möglich ist.

Der Wasserbedarf für Mensch und Tier wurde durch gefasste Naturquellen und die Zusammenführung verschiedener Naturquellen in Brunnenkammern gedeckt. So ist es nur natürlich, dass diese Quellen sehr sorgsam gehegt, gepflegt und überwacht werden.

Damit das Quellwasser von der Brunnenkammer zu den Menschen in die Stadt oder Dorf gelangte, mussten Wasserleitungen verlegt werden. Dies geschah mittels Fichtenstämmen (Durchmesser zw. 12 und 20 cm) die von beiden Seiten mit einem Löffelbohrer in Längsrichtung mittig gebohrt wurden. Mittels konisch zulaufenden Eisenbuchsen wurden die Baumstämme zusammen gefügt. Die Schnittstellen wurden mit Eisenringen von außen verstärkt. Durch die zusammengefügten Holzleitungen wurde das Quellwasser zu den einzelnen Laufbrunnen des Ortes geleitet, wo das Wasser der Einwohnerschaft zur Verfügung stand. Durch den Wassermeister musste immer ein entsprechender Vorrat an Deicheln auf Lager gehalten werden, um entsprechenden Schadstellen sofort beheben zu können. In der Michelstädter Altstadt wurden fünf Laufbrunnen mit diesem Quellwasser versorgt.

Zum Schutz des Wassers wurden Bestimmungen erlassen, die die Nutzung der Laufbrunnen festlegten:

So durften z.B. Fässer, Bütten oder ähnliche Behältnisse nicht im Trog des Laufbrunnens ausgewaschen werden. Das Waschen von Textilien oder Geschirr waren untersagt.

Ab 1872 wurden die Holzdeicheln durch Eisenrohre ersetzt.

 

 

  Quelle:

Philipp Buxbaum

Die Ausgrabungen der Heilig-Kreuz-Kapelle in Michelstadt

Michelstadt in Wort und Bild

Denkmaltopographie der BRD Kulturdenkmäler im Odenwaldkreis
Wilhelm Hartmann

Die Heilig-Kreuz-Kapelle auf dem Michelstädter Friedhof –

Odenwaldheimat 7/1981

Die alte Brunnenkammer bei der ehemaligen Heilig-Kreuz-Kapelle

In Michelstadt – Odenwald-Heimat 6/1998

Johann Heim

Geschichten um St. Kilian und die- Heilig-Kreuz-Kapelle Michelstadt

Die Heilig-Kreuz-Kapelle vom Kiliansfloß – Gelurt 2000

Stadtarchiv Michelstadt

Ãœbergabevertrag

J. Olt

Das Kilians-Floß zu Michelstadt – Volk und Scholle 1938

unterirische Bäche bei Erbach , Michelstadt u. Darmstadt

Heinz Rebscher

Funde auf dem Gelände der ev. Kirche in Michelstadt –

Odenwaldheimat 4/1980

Peter W. Sattler

Die Heilig-Kreuz-Kapelle in Michelstadt – Geschichtsblätter

Kreis Bergstraße

 

Manfred Kassimir Text und Bilder

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