Odenwälder Neidköpfe

(von Manfred Kassimir)

Dämonen, Fratzen, Schreckköpfe – Heiner Heimberger war der Erste, der diese Erscheinungen, die in der Regel viele Fachwerkhäuser zierten, katalogmäßig unter dem Begriff „Neidköpfe“ erfasste. Der Begriff „Neidkopf“ ist mittlerweile in der Forschung und Literatur die gebräuchliche Ausdrucksweise für diese Erscheinungsformen.

Neidköpfe sind in jedem Teil Deutschlands zu finden. Sie erscheinen dem Betrachter an den Straßen zugewandten Ecken der Fachwerkhäuser oder aber in Stein gemeißelte Fratzen als Schlusssteine über Torbogen- oder Türöffnungen. Auch im Odenwald sind sehr viele anschauliche Fachwerkstädtchen zu finden, deren Besuch sich lohnt.

Der Betrachter muss schon aufmerksam durch die Reihen der Fachwerkhäuser schlendern, um auf die schauderhaft wirkende Fratzen oder Schreckköpfe aufmerksam zu werden. 

Der Ausdruck „Neid“ kommt aus dem Wortstamm des Althochdeutschen „Nid“ und drückt in seiner alten Form Hass, Zorn und jede andere Art von Missgunst aus. In der heutigen Zeit steht das Wort „Neid“  eher für „Missgunst“ oder auch in gewisser Hinsicht für „Eifersucht“.

Die Neidköpfe sind überwiegend an den zur Straßenseite hin ausgerichteten Hausecken zu finden und in beiden Richtungen erkennbar. Aber auch als Schlusssteine über Eingangsportalen, Dachgiebeln oder Fensterstürzen sind sie zu finden.

Das Odenwälder Fachwerkhaus hat eine Seele. Die Eckpfosten eines jeden Gebäudes sind unverrückbare Stützen. So haben diese eine besondere Bedeutung und sind entsprechend mit Fratzen, Schreckköpfen usw. ausgeschmückt. Die als Ungeheuer abgebildeten Neidköpfe haben den Sinn, Hexen, Teufel,  Dämonen, ansteckende Krankheiten und Seuchen von den Hausbewohnern fern zu halten. Sind z. B. die Hexen  erkannt, verfehlen diese den Sinn ihres Angriffs auf das Haus und dessen Bewohner und können keinen Schaden anrichten.

Die Wurzeln dieses Aberglaubens reichen weit in die vorchristliche Zeit zurück, wo dämonische Mächte auf das Wohlergehen der Menschen Einfluss nahmen. Keltische Rituale -  Schädel der Feinde an der Gebäudeaußenseite zu befestigen - hatten den Sinn, Feinde abzuschrecken und die Kraft der erschlagenen Feinde auf sich übergehen zu lassen.

Die Neidköpfe weisen übertrieben herausgearbeitete Augen, große hervorstehende Nasen und einen weit geöffneten Mund mit weit heraushängender Zunge auf. Die Lippen sind übertrieben wulstig und die Bärte, die einen langen Wuchs nach unten haben,  vervollständigen die  abschreckende Wirkung auf den Betrachter.

Jeder Neidkopf hat eine bestimmte Bedeutung in der Darstellung, wobei diese  der heutigen Forschung nicht immer nachvollziehbar und erschlossen sind.

Ähnlich der Neidköpfe sind an den Eckpfosten verschiedener Fachwerkhäuser nach oben schlängelnde Schlangen sichtbar, die ihren Kopf über ein Herz beugen. Hier wird die Schlange symbolisch als Wächter des Hauses dargestellt und übernimmt die Schutzfunktion des Hauses und deren Bewohner als guter Hausgeist.

Ein weiteres Symbol, das an Fachwerkhäusern weit verbreitet zu finden ist, ist die „Sonnenrose“. Die Sonne ist nach dem Volksglauben das Abbild der Sonne, so wie der Mensch sich die Sonne vorstellt. Die „Sonnenrose“ symbolisiert das Licht und den Schutz vor der Dunkelheit.

So ist es für den Besucher alter Fachwerkstädtchen empfehlenswert, nicht nur das Gesamtambiente einer Altstadt auf sich wirken zu lassen, sondern auch den Blick auf die Details einzelner Häuser zu richten. 

 

Quelle:

 

Heidi Banse 

Margarethe Götz geb. Haller brachte die Neidköpfe nach Michelstadt – gelurt 2016

Denkmaltopografie des Odenwaldkreises 

Neidkopf Zentscheune Sensbachtal

Gotthilde Güterbock 

Vom Neidkopf und seinen Ahnen – Der Odenwald

Werner Haas 

Der Kopf als Schmuck am Fachwerkhaus – Sammlung Volkskunde Hessen.

Leo Hefner 

Zwei Köpfe in der städtischen Sammlung Obernburg

Friedrich Mößinger 

Balken am Bauernhaus

Hans Günther Morr 

Geheimnisvoller Überwald – gelurt 1995

Winfried Wackerfuß 

Die Neidköpfe des Odenwaldes – Zur Kultur und Geschichte des Odenwaldes

Heinrich Winter 

Heimatliches Erbe am Wegrand

 

Schlangenhäuser

 

Die Sonnenrose am Schlussstein oder Türsturz

   

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