OdenwÀlder RauhnÀchte
oder die „12 Heiligen NĂ€chte“


(von Manfred Kassimir)

Die RauhnĂ€chte sind zwischen Weihnachten und dem Fest der „Heiligen drei Könige“, dem 6. Januar, angesiedelt. Es ist eine besondere Zeit, in der man sich auf das Vergangene zurĂŒck besinnt und neue Energie fĂŒr das kommende, neue Jahr aufnimmt. Es sind genau 12 NĂ€chte dieser mystischen Zeit, die im Volksmund als die „Zeit zwischen den Jahren“ genannt wird. Aufgeteilt sind es 6 NĂ€chte im alten und 6 NĂ€chte im neuen Jahr. Weitere AusdrĂŒcke dieser Zeit sind als „die toten Tage“ oder „die NĂ€chte außerhalb der Zeit“ bekannt.

Der Aberglaube, auf dem die Bedeutung der RauhnĂ€chte beruht, geht auf die germanische Mythologie zurĂŒck. In der mĂŒndlichen Überlieferung heißt es, dass Odin (Wotan) in dieser Zeit lĂ€rmend mit seinem wilden Heer durch die LĂŒfte reitet und böse Geister und DĂ€monen mit sich fĂŒhrt. Wer sich ihm in den Weg stellt, der ist fĂŒr immer verloren.

Die 12 verbleibenden NĂ€chte „zwischen den Jahren“ haben ihre Bedeutung aus einer frĂŒheren Zeitrechnung, dem Mondkalender. Diese Zeitrechnung bringt es im Jahresverlauf auf 354 Tage. Die heutige Zeitrechnung nach dem „Gregorianischen Kalender“, 1528 von Papst Gregor eingefĂŒhrt, basiert auf dem Sonnenzyklus und ergibt 365 Tage auf das Jahr gesehen.
Die Differenz beider Berechnungen sind die Tage außerhalb der Zeit und die Mythologie spricht davon, dass in dieser Zeit die Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind und die bösen Geister und die DĂ€monen die Oberhand gewinnen.
Aus mĂŒndlichen Überlieferungen geht hervor, dass die Haustiere in den RauhnĂ€chten sich durch menschliche Stimmen untereinander verstĂ€ndigen. Wird dieses Ereignis von einem menschlichen Wesen belauscht, verstirbt dieses unmittelbar danach.
Die Zeit zwischen den Jahren ist die „dunkle Zeit“. Licht, wie in der heutigen Form durch ElektrizitĂ€t, gab es bei unseren Vorfahren noch nicht. So wurde bei Kerzenlicht die dunkle Zeit wesentlich intensiver und bedrohlicher wahrgenommen als heute. Und gerade deshalb steckt diese Zeit voller BrĂ€uche und Rituale.
Die Dunkelheit wirkte bedrohlich. So rĂŒckten die Vorfahren eng zusammen, um ihre Ängste im Schutz der Familie zu besiegen. Es wurden MĂ€rchen erzĂ€hlt und auch Geschichten von unheimlichen Begegnungen, die selbst erlebt oder von anderen glaubhaft bekundet wurden. So entwickelten sich im Laufe der Zeit Rituale im Tagesablauf, von denen angenommen wurde, dass sie Schutz vor bösen Geistern oder DĂ€monen bieten wĂŒrden.

Als Beispiele seien aufgezÀhlt:
- das Haus musste aufgerÀumt sein
- schwere Arbeit war untersagt
- Kartenspiel war verboten
- TĂŒren durften nicht laut zugeschlagen werden
- das Haare- und Fingernagelschneiden war untersagt
- WÀsche waschen und aufhÀngen war verboten
- Frauen und Kinder durften bei Einbruch der Dunkelheit das Haus nicht mehr verlassen
- Haus und Stall wurden ausgerÀuchert

Das AusrĂ€uchern von Haus und Stallung erfolgte mittels einer RĂ€ucherpfanne. Mit zuvor gesammelten KrĂ€utern, die zum Glimmen gebracht wurden, wurden Stube und Stall im Uhrzeigersinn begangen. Keine Ecke des Hauses oder Stalles durfte ausgelassen werden. Waren alle RĂ€umlichkeiten begangen, erfolgte die RĂ€ucherung in umgekehrter Richtung. Bei diesem Ritual war darauf zu achten, dass zumindest ein Fenster oder andere Öffnung leicht geöffnet war, um das Entweichen der bösen Geister oder DĂ€monen zu ermöglichen. Die wichtigsten KrĂ€uter fĂŒr dieses Prozetere seien hier genannt:
Misteln, Salbei, Thymian, Beifuß, Wacholder, Johanniskraut und Schafgarbe.
Im Verlaufe des AusrĂ€ucherns wurde diese Maßnahme durch lautes „Peitschenknallen“ unterstĂŒtzt. So hat sich dieser Brauch bis in unsere Zeit erhalten, durch Feuerwerk an Silvester böse Geister und DĂ€monen durch LĂ€rm zu vertreiben, um so unbeschwert in das neue Jahr zu gleiten.
Ein weiterer Brauch, der sich bis in die heutige Zeit erhalten hat, ist das Bleigießen. Mittels Löffel und einer brennenden Kerze wird ein StĂŒck Blei verflĂŒssigt und in eine Schale kalten Wassers eingegossen. Durch das schnelle Erstarren des flĂŒssigen Bleies entstehen bizarre Formen, aus denen der Bleigießer seine Zukunft zu orakeln versucht.
Bei allen erhaltenen alten BrĂ€uchen haben sich das Bleigießen und das Silvesterfeuerwerk bis in die heutige Zeit erhalten, obwohl der tiefere Sinn des Rituals bei den meisten lĂ€ngst in Vergessenheit geraten ist.
So gehört auch die „Neujahrsbrezel“ zu einem Ritual der letzten Rauhnacht. Betrachtet man die Form der Brezel genauer, kann man erkennen, dass die verschlungenen Hefeteigrollen die gekreuzten Arme eines betenden Mönches darstellen.
Ein weiterer Ritus in der Zeit der „RauhnĂ€chte“ liegt im Verhalten der Menschen untereinander:

- So sollten GegenstĂ€nde, die ausgeliehen wurden, wieder an den Besitzer zurĂŒck gegeben werden
- gegebene Versprechen waren einzulösen
- schwelende Streitigkeiten sollten beigelegt werden

Auch wurden Wetterprognosen fĂŒr das kommende Jahr erstellt. So wurden Zwiebeln geschĂ€lt und die Schalen in 12 Blumentöpfe (Jeder Topf fĂŒr einen Monat) ausgelegt. Dort wurden sie mit Salz bestreut. Je nach gezogener Feuchtigkeit wurde aus dem Ergebnis heraus gelesen, ob es ein trockener oder feuchter Monat im kommenden Jahr wird.

Die Menschheit maß der Zahl „12“ immer eine magische Bedeutung bei:
- das Jahr besteht aus 12 MondnÀchten
- und 12 RauhnÀchten
- 1 Jahr besteht aus 12 Monaten
- das astrologische Jahr besteht aus 12 Tierkreiszeichen
- Tag und Nacht werden jeweils mit 12 Stunden berechnet
- das Volk Israels wurde aus den 12 Söhnen Jakobs gebildet
- Jesus hatte 12 JĂŒnger
- die Tafelrunde des König Artus bestand aus 12 Rittern
- Grundlage fĂŒr Berechnungen waren das „Dutzend“ (12)
Auch wenn man den alten BrĂ€uchen in der heutigen Zeit keine große Bedeutung mehr beimisst, so sollte doch der Zeitraum „zwischen den Jahren“ dafĂŒr genutzt werden, einmal Inne zu halten und sich zurĂŒck zu besinnen. Auch heute noch ist diese Zeit dafĂŒr geeignet, Kraft und neue Energie fĂŒr das Kommende, fĂŒr das Unbekannte, zu schöpfen.

Quelle:

Elfie Courtenay RauhnÀchte
DarmstĂ€dter Echo 04.01.16 – Ein bisschen gruselig darfs sein.
Benjamin Esche Mystische Zeiten zwischen den Jahren (WDR)
Anke Fischer Feste und BrÀuche in Deutschland
Sybil GrÀfin Schönfeldt Feste und BrÀuche durchs Jahr
Heinrich Sehnert Sou woarsch ba uns dehoam
Heimatmuseum Rodenstein Germanisches Jahr und Kirchenjahr
Wikipedia RauhnÀchte
Wikipedia RauhnÀchte und Mittwinterfest
Wikipedia Was sind eigentlich RauhnÀchte?
Monika Wittmann RauhnÀchte
Manfred Kassimir Text und Bilder

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