Galmbach
Das verschwundene -verwunschene- Dorf im Odenwald


(von Manfred Kassimir)

Zwischen Mudauer und Schloßauer Straßenkreuz der L 2311 und Kailbach biegt man links in einen unscheinbaren Waldweg ein. Hoher Mischwald säumt den Weg. Ein Hinweisschild zu einem bestimmten Ziel sucht man vergebens.
Der unbefestigte Weg führt leicht bergauf an einem kleinen Bachlauf entlang. Nach rund 4 km Wanderung durch dichten Mischwald öffnet sich plötzlich eine Talsenke und wie in einem Märchen zieht ein einzelnes Gehöft die Blicke des Wanderers auf sich. Kleinere Rinnsale vereinigen sich im Talkessel zu einem munter dahinplätschernden Bach – dem Galmbach. Der Zufluss der Galmbach führt in die Itter.
In dieser Ortsbeschreibung ist die Rede von „Galmbach“, dem verschwundenen –verwunschenen Dorf im Odenwald.
Das verschwundene Dorf liegt 375 über NN und ist ca. 17 km von der Kreisstadt Erbach entfernt und wird in der Literatur als „Wüstung“ bezeichnet.

Der Name „Galmbach“ entstammt dem Wortstamm „Golle“, was so viel wie „nasses Tal“ bedeutet. Die Gemarkung Galmbach liegt im Dreiländereck Hessen-Baden-Bayern, wobei die Gemarkung wie ein Finger in badisches Gebiet hinein ragt.
Das Gebiet Galmbach fand bereits bei Einhard, dem Vertrauten Karl des Großen, unter dem Begriff „Langenfirst“ Erwähnung und war auch Grenzgebiet am römischen Limes, der das freie Germanien von dem römisch verwalteten Gebiet trennte.
Urkundlich wurde der Ort „Gollenbach“ erstmals 1443 erwähnt, indem Pfalzgraf Ruprecht dem Schenken zu Erbach mit dem Ort „Gallenbach“ belehnte. Weitere Namensänderungen erfolgten in „Gallnbach" und "Galmbach" und wurde als Waldhubendorf bezeichnet. Bis zum Jahr 1806 unterstand das Dorf verwaltungsmäßig zu 4/7 dem Grafenhaus Erbach und zu 3/7 dem Kloster Amorbach, was auch zur anteiligen Entrichtung des „Zehnten“ bedeutete.
Die Abgeschiedenheit des Dorfes führte zu einem gewissen Eigenleben, das aber im Jahr 1634 tragisch unterbrochen wurde. Im 30-jährigen Krieg wurde der Ort durch marodierende kaiserliche Truppen in Schutt und Asche gelegt. Das Dorf hatte aufgehört zu existieren.
Nach Ende des Krieges wurden Menschen aus verschiedenen Regionen angeworben, die das Dorfleben mit neuem Leben erfüllten. Durch die gräfliche Verwaltung wurde den Neubürgern Hofgüter zugewiesen, die diese bewirtschaften konnten. Die Konfession der Menschen spielte in diesem Fall keine Rolle.
Die Bewohner Galmbachs hatten durch die Landwirtschaft ihr Auskommen. Dies änderte sich mit fortlaufender Zeit durch Erbteilung. Der landwirtschaftliche Besitz war mittlerweile so aufgesplittet, dass die Anwohner sich nur noch bedingt aus ihren landwirtschaftlichen Erzeugnissen ernähren konnten. Der karge zu bewirtschaftete Boden trug das Seine dazu bei. Lediglich drei Bauern konnten noch ihren Lebensunterhalt mit Ackerbau und Viehzucht bestreiten. Alle anderen Bewohner waren mittlerweile Kleinbauern oder Tagelöhner, die sich durch Lohn- oder Fronarbeit verdingen mussten. Die Menschen hatten nur noch durch Verschuldung die Möglichkeit der Existenzbewältigung.
Aus diesen Überlebensnotwendigkeiten ist auch zu verstehen, dass das Dorf Galmbach in amtlichen Akten des „Waldfrevels“ und der „Wilddieberei“ Erwähnung fand. Weiterhin wurde dem Dorf unterstellt, der „Hölzerlipsbande“, einer berüchtigten Räuberbande des Odenwaldes, als Rückzugsgebiet und Schlupfwinkel zu dienen. Seitherige Forschungen haben diese Legende bisher nicht bestätigt, obwohl Galmbach von der geografischen Lage her ein idealer Rückzugsort gewesen sein könnte. Die hessische Gräflich Erbacher Gemarkung Galmbach ragt wie ein Finger in das badische Gebiet hinein und grenzt an den Bereich des zu Baden gehörenden „Katzenbuckel“, die höchste Odenwälder Erhebung, mit dem umfassenden Gebiet „Winterhauch“. Bei der Verfolgung durch Hessische Behörden konnte die Räuberbande kurzerhand auf badisches Gebiet überwechseln und umgekehrt und sich so der verfolgenden Gerichtsbarkeit entziehen.
Die Legende wird durch den Umstand untermauert, dass in Galmbach im Verhältnis zu anderen Dörfern die unehelichen Geburten weit über dem Durchschnitt lagen.
Im Zuge der Säkularisation und dem Reichsdeputationsbeschluss 1803 wurde das Kloster Amorbach enteignet. Die verbrieften Hoheitsrechte –die Zehntsteuer - erlosch im Jahr 1806 durch die Einwirkung des Rheinbundes, aus dem auch das Großherzogtum Hessen hervorging.
Das freiwerdende Gebiet wurde dem Fürst zu Leiningen als Entschädigung für seine verlustig gegangenen linksrheinischen Gebiete übertragen. Fürst Karl zu Leiningen war nun unmittelbarer Nachbar der Dorfgemarkung Galmbach.
Nach einer statistischen Erfassung bestand 1828 das Dorf Galmbach 19 Häuser und 149 Einwohner, die Personen mit „Heimrecht“ mit eingerechnet.
Der Begriff „Heimrecht“ bedeutet besitzlose Personen, die durch die Geburt das Aufenthaltsrecht für ihren Geburtsort erworben hatten. Die Dorfgemeinschaft war verpflichtet, für den Lebensunterhalt dieser Personen aufzukommen.
Aus den vorgenannten Gründen und aus der allgemeinen Not heraus boten viele Einwohner Galmbachs ihren Grund und Boden dem Fürsten von Leiningen zum Kauf an. Dieser war geneigt die Angebote anzunehmen, um seinen Waldbesitz abzurunden. Andere Grundeigentümer wurden durch die fürstliche Verwaltung unter Druck gesetzt (Schuldverschreibungen), um die Kaufabsicht des Fürsten zu bestärken.
So verließen viele Bewohner Galmbachs zw. 1832 und 1836 ihren Heimatboden um in anderen Gegenden des Odenwaldes neu Fuß zu fassen.
Fürst Karl zu Leiningen ließ die aufgelassenen Gebäude Galmbachs versteigern und, mit einer Ausnahme, zum Abriss freigeben. Lediglich das Berg` sche Haus blieb als Forsthaus der Forstverwaltung des Fürsten zu Leiningen erhalten. Das Berg`sche Haus mit seinen Stallungen und einen in den Berghang eingebauten Keller, dessen Türsturz die eingemeißelte Jahreszahl „1591“, aufweist, sind bis heute erhalten.
Das Links`sche Haus wurde von der Dorfgemeinschaft Hesselbach erworben, abgerissen und in Hesselbach als Schulhaus erneut aufgebaut. 1839 zählte das „aufgelassene“ Dorf Galmbach noch 23 Bewohner, die meist in Lohn und Brot der Forstverwaltung des Fürsten zu Leiningen standen.
Das Dorf Galmbach wurde mit der öffentlichen Bekanntmachung des Regierungsblattes 44/1836 des Großherzoglichen Ministeriums des Inneren und der Justiz vom 01. März 1836 als aufgelöst erklärt.
Bereits am 07. September 1836 erhielt die Gemarkung Galmbach die neue Bezeichnung „Eduardsthal“.
Der 2. Sohn des Fürsten zu Leiningen trug den Namen Eduard.
Die Bekanntmachung des Großherzogisch Hessischen Ministeriums des Inneren und der Justiz hierzu lautet wörtlich:

„Bekanntmachung

Die Auflößung der Gemeinde Galmbach,
Landrathsbezirk Erbach, betreffend.

Nachdem die bisherige Gemeinde Galmbach, Landrathsbezirk Erbach, in Folge freiwilligen Entschlusses ihrer Angehörigen, unter allerhöchster Genehmigung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs, gänzlich aufgelöst und ihrer bisherigen – nunmehr mit den Besitzungen des Herrn Fürsten von Leiningen vereinigten – Gemarkung der Name: „Eduardsthal“ beigelegt worden ist; so wird dies hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht.

Darmstadt am 7. September 1836.
Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz.

Du Thil.“


Das Dorf „Galmbach“ hatte endgültig aufgehört zu existieren und wurde gänzlich von den Landkarten verbannt.
Heute erinnert noch das bestehende Forsthaus „Eduardstal“ mit seiner Stallung an das verlassene Dorf. Weitere sichtbare Überreste des verlassenen Dorfes sind noch ein Sandsteinbrunnen, dessen Wasser immer noch munter vor sich hin plätschert und Grundmauern verschiedener Häuser, die von der früheren Existenz des aufgelassenen Dorfs Zeugnis ablegen.
Eine Erinnerung ist noch geblieben – ein Straßenschild im Dorf Wald-Auerbach führt den Namen „Galmbacher Weg“.
Eine kurze, nicht allumfassende Zeittafel soll noch einmal einen Ãœberblick des Werteganges des Dorfs Galmbach aufzeigen:
1398 - belehnt Pfalzgraf Ruprecht den Schenken Eberhard zu Erbach mit der Gemarkung Galmbach.
1443 - wird die Belehnung durch Pfalzgraf Ludwig bestätigt.
1653 - wird der Lehnbrief für die Grafen zu Erbach erneuert.
1720 - kommt es noch einmal zu der Bestätigung des Lehnsbriefes.
1806 - wird Galmbach zusammen mit der Grafschaft Erbach dem Großherzogtum Hessen zugeordnet.
1836 - wird der Fürst Karl zu Leiningen als Rechtsnachfolger der Gemarkung benannt.

Quelle:

Heinz Bormuth Die Galmbacher Madonna – Odenwaldheimat 1985
Manfred Giebenhain Spuren der verlassenen Dörfer – Darmstädter Echo 2010
Ella Gieg Die Odenwälder Räuber
Gotthilde Güterbock Die Auflösung von Galmbach – Breubergbund – Der Breubergbund 1974 Heft 3
W. Hofmann Ein verschwundenes Dorf im Odenwald –OHZ 1974
Friedrich Höreth Die Heimkehr – Geschichte eines Hofes aus „Die Heimat 12/1938
Gertrud u. Udo Kühn Galmbach zu 150-Jahrfeier am 7.9.36 verfügten Auflösung
Odenwald Römer und ein verschwundenes Dorf
Odenwald aktiv Räuberheimat
Mike Rupprecht Räuber-homepage
G. J. W. Wagner Die Wüstungen im Großherzogtum Hessen
J. Weingart u. J. Hönes Das verschwundene Dorf im Odenwald
Wikipedia Galmbach (Kailbach)
Karl-Heinz Winter Galmbach – „gelurt“ 1998
Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

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